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Helm Zirkelbach / Walt Whitman Gesang von mir selbst

Ausstellung im Museum Otto Schäfer, 20. September – 22. November 2020

Schweinfurt:  Helmut Anton – kurz Helm – Zirkelbach, geboren 1962 in Schondorf im Remstal, ist seit 1985 als freischaffender Künstler tätig. Von der Malerei und Zeichenkunst wandte er sich 1991 als Autodidakt der Radierung zu, die seitdem sein Hauptbetätigungsfeld ist. Zu dieser Zeit stieß er im Nachlass seines Vaters zufällig auf ein Reklamheftchen – Leaves of Grass von Walt Whitmann (1819-1892) in deutscher Übersetzung von Johannes Schlaf (1862-1941). Sie war erstmals 1907 unter dem Titel Grashalme erschienen, und mit ihr wurde seinerzeit der Whitman-Kult in Deutschland begründet, dessen Bann sich weder die Expressionisten noch Thomas Mann (1875-1955) entziehen konnten, der den amerikanischen Lyriker als „Donnerer von Manhattan“ verehrte. Whitman wurde auch zu einem bedeutenden Idol der Beat-Generation. Helm Zirkelbach war ebenfalls von dem Gedichtband, vor allem dem Gesang von mir selbst fasziniert. Dabei ging es ihm immer um seinen eigenen Zugang zu den Versen Whitmans, die ihm damals in einer persönlich schwierigen Lage Zuversicht spendeten. Deshalb machte er sich daran, in den Jahren 1992/1993 für jede der 52 Strophen ein eigenes Blatt zu schaffen. Die Arbeit war zunächst als Buch geplant, so dass die Radierungen nicht mittig auf dem Blatt stehen, sondern links ein breiterer Rand für die Bindung gelassen wurde. Ein früher Mäzen konnte den jungen Künstler aber davon überzeugen, dass für Sammler eine lose Folge attraktiver ist als ein gebundenes Buch. Das Reklamheftchen seines Vaters bezog er in seine Grafiken ein, kopierte einzelne Textstellen, rieb sie mit Nitro ab und klatschte sie auf die jeweilige Druckplatte ab. Der Toner blieb nun erhaben auf der Platte stehen, so dass sich die Druckfarbe beim Auswischen um die Erhöhungen sammelt. Im Endeffekt wurde daher nicht die Schrift, sondern deren Kontur gedruckt. Dies funktionierte aber nur, wenn die Schrift in ihrer geringen Originalgröße eingesetzt wird, bei Vergrößerungen musste mit Flächenätzung nachgearbeitet werden. Die Farbwahl Zirkelbachs ist begrenzt: Neben Schwarz und einem kräftigen, mitunter leuchtenden Blau bestimmen Rot- und Brauntöne seine Palette. Nur selten changieren das Blau zu Violett und das Rot zu Orange. Diese Farben werden auch viele spätere Arbeiten bestimmen, sofern der Künstler nicht das klassische Schwarz-Weiß wählt. Die Form der Platten aber variiert stark. Es finden sich unregelmäßig geformte Platten mit tiefen Einschnitten, eine weitere Variante ist das Zerschneiden in einzelne Segmente. Daneben tritt aber auch die klassische Form des Rechtecks wie im Selbstbildnis des Künstlers und im Porträt Whitmans.

 

Song of myself gehört zum Kernbestand der Gedichtsammlung Leaves of grass, die Walt Whitman 1855 erstmals - noch ohne Titel - in Druck gab und bis zu seinem Tod immer wieder erweiterte. Dabei war der spätere Titel des anfangs kaum erfolgreichen Buches ein Wortspiel. Die deutsche Übersetzung Grashalme spiegelt dabei nur eine Dimension wieder. Für den überzeugten Demokraten Whitman war Gras u.a ein Symbol der Prärie, der nordamerikanischen Steppenlandschaft, und zugleich ein Pflanze, die in jedem Garten wuchs, egal ob dessen Besitzer reich oder arm, schwarz oder weiß, Mann oder Frau war. Zum anderen steht das Wort ‚leaves‘ für die Seiten eines Buches und ‚grass‘ in der Sprache der Verleger und Drucker – Whitman war gelernter Setzer - für mindere Bücher. Oder doch für eine Poesie, die jedes einzelne Individuum unabhängig von seiner gesellschaftlichen Stellung mit der Vokabel „Ich“ feiert: „Ich feiere mich selbst und singe mich selbst, und was ich mir anmaße, sollst du dir anmaßen, denn jedes Atom, das mir gehört, gehört auch dir.“

 

Die Ausstellung wird rund die Hälfte der Arbeiten Zirkelbachs zu Whitman präsentieren. Zusätzlich werden den Besuchern die ganze Folge mit dem Originaltext und der deutschen Übertragung virtuell zugänglich gemacht. Abgerundet wird die Schau durch die neueste Folge Zirkelbachs Ein ewig Hugärtle (2019) und eine Blatt aus den Préludes, einer Hommage an Frédéric Chopin (2014).

 

Eine Eröffnung kann wegen des begrenzten Raumangebotes im Museum Otto Schäfer leider nicht stattfinden. Am Sonntag, dem 20. September 2020, werden aber um 11, 13 und 15 Uhr Führungen mit dem Künstler und dem Leiter des Museums Otto Schäfer angeboten. Da auch dabei die Anzahl der Besucher beschränkt ist, bitten wir um Anmeldung unter 09721 3870970 oder info@museumottoschaefer.de.

 

Öffnungszeiten: Sa 14-17 Uhr, So und Feiertage 10-17 Uhr

 

Museum Otto Schäfer

Judithstraße 16

97422 Schweinfurt

09721 3870970

Fax 09721 38709799

www.museumottoschaefer.de <link>dosstiftung@aol.com

 

Biografie Zirkelbach

Helmut Anton Zirkelbach

  • 1962 Geboren in Schorndorf / Württemberg
  • Ab 1985 Freischaffender Bildender Künstler
  • 1991 Erste Radierungen
  • 1992/93 Gesang von mir selbst, Zyklus mit 52 Radierungen zum Gedicht von Walt Whitman
  • 1995 Umzug nach Kohlstetten auf die Schwäbische Alb
  • 1996 I remember where I came from, Radierzyklus
  • 1999 Schläfer, Tod und Engel, Radierzyklus
  • 1999/2000 Winterreise, Radierzyklus zum Zyklus der 24 Lieder von Franz Schubert und Wilhelm Müller
  • 2008 Tailfinger Totentanz, Zyklus mit 13 Radierungen
  • 2009 Schwarz, Folge von 13 Radierunge
  • 2014 Préludes, Zyklus mit 24 Radierungen zu den Préludes von Frédéric Chopin Beginn der offenen Radierfolge Spuren der Landschaft
  • 2015 Beginn der offenen Radierfolge Codex unbekannt
  • 2018 Roteisenstein, Folge von 8 Radierungen
  • 2019 Ein ewig Hugärtle, Folge von 5 Radierungen
  • Ab 1994 Mitglied im Verband Bildender Künstler und Künstlerinnen Württemberg e. V.
  • Ab 2004 Mitglied im Künstlerbund Tübingen

Bild 1: Radierfolge Walt Whitman, Gesang von mir selbst: Gesang 16 (Selbstportrait Helm Zirkelbach) Radierung / Aquatinta 37 x 20 cm auf Bütten 51 x 37 cm, 1993 XXX Bild 2: Radierfolge Walt Whitman, Gesang von mir selbst: Gesang 24 (Portrait Walt Whitman) Radierung / Aquatinta 37 x 20 cm auf Bütten 51 x 37 cm, 1993