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Im Bahnhof wird ausgelassen getanzt ....

Drittes Konzert des Fördervereins der Bahnhofsmission war ein überwältigender Erfolg

WÜRZBURG

Endlich und erstmals wieder nach langer Zeit pulsierte am Sonntag im Würzburger Hauptbahnhof das Leben. Ausgelassen tanzten Menschen zu den Klängen von „Salsamania“. Es war das dritte Konzert der Kurzkonzertreihe „Musik verbindet“, die der Förderverein der Bahnhofsmission derzeit im Hauptbahnhof veranstaltet. Während Reisende sonst das Bahnhofsgebäude auf kurzem Weg passieren, zog „Salsamania“ die Besucher des Hauptbahnhofs bis zum Konzertende in seinen Bann.

 

Die Bahnhofsmission sucht in der Diözese Würzburg ihresgleichen: An jedem Tag des Jahres ist sie rund um die Uhr geöffnet. Besonders innerhalb der bayernweiten „Szene“ der Bahnhofsmissionen ist auch, dass sich die Würzburger Einrichtung intensiv für das Menschenrecht auf kulturelle Teilhabe einsetzt und inzwischen zahlreiche Konzerte in öffentlichen Räumen organisiert hat. „Seit 2003 bieten wir Musik im Bahnhof an“, sagt Michael Lindner-Jung, der die Bahnhofsmission leitet. Bei den ersten Konzerten ging es darum, den Hauptbahnhof für alle Menschen zu öffnen: „Damals war es noch so, dass man eine Fahrkarte brauchte, um sich in der Bahnhofshalle aufhalten zu dürfen.“ Das schloss viele aus.

Das Thema „Inklusion“ zieht sich als roter Faden durch die Arbeit der Bahnhofsmission. In der Anlaufstelle der Würzburger Christophorus-Gesellschaft soll jeder Mensch einen Platz finden. Laut Michael Lindner-Jung wird es hier deshalb auch keine 3G-Regel geben. Natürlich wird akribisch auf die Einhaltung von Hygienevorschriften geachtet. Doch auch künftig soll kein Mensch in Not abgewiesen werden, selbst wenn er kein negatives Testergebnis und keinen Impfnachweis vorweisen kann. Die Bahnhofsmission will analog präsent bleiben. Denn das Ausweichen in digitale Räume heißt für viele Menschen auch das Ende der Kommunikation.

Es ist aber etwas völlig anderes, sich in einer Chat-Group auszutauschen oder einander live zu begegnen. Wie sehr die Menschen danach sehnen, sich zu treffen, miteinander in Kontakt zu kommen und zusammen Spaß zu haben, zeigte das Konzert von „Salsamania“ am Sonntagnachmittag kurz vor Bekanntgabe der ersten Wahlprognose. Wer keinen Partner hatte, wippte alleine vor sich hin. Ein junger Geflüchteter wagte HipHop-Tanzschritte zu den Salsa-Klängen. Kinder drehten sich mit ihren Eltern im Kreis. So ausgelassen die Stimmung war, so sehr achteten die Konzertbesucher aber auch darauf, dass sie niemanden gefährdeten.

Man muss viel Kraft haben, um einer schwierigen Situation gewachsen sein zu können. Jene Männer und Frauen, die dieser Tage in die Bahnhofsmission kommen, haben diese Kraft oft nicht. Sie, die in vielen Fällen ohnehin unter sozialer Armut leiden, verloren außerdem in den vergangenen Monaten weitere Bindungen. Hilfe wird deshalb immer notwendiger. Auch darauf macht die Konzertreihe des Fördervereins der Bahnhofsmission aufmerksam. Das ausliegende Infomaterial über die vielfältige Arbeit stieß auf großes Interesse. Mehrere Konzertbesucher warfen einen Obolus in die aufgestellte Spendenbox, um die Arbeit zu unterstützen.

Die Haupt- und Ehrenamtlich der Bahnhofsmission kennen keine Berührungsängste. Gleiches gilt für die Künstlerinnen und Künstler, die an der Kurzkonzertreihe teilnehmen. „Wir unterstützen den Förderverein sehr gerne“, sagt Eva Tilly von „Salsamania“. Auch Nils Hübenbecker und Lynn Ühl, die am 24. September das zweite Konzert bestritten, stehen voll und ganz hinter der Idee, Menschen in Not direkt am Bahnhof zu helfen. Pianistin Viktoria Pohl, die zum Auftakt der Kurzkonzertreihe im Hauptbahnhof spielte, ist es ebenfalls wichtig, die Arbeit der Bahnhofsmission aktiv zu fördern.

Gerade Künstler erlebten in letzter Zeit, wie schnell man Hartz-IV-Bezieher werden kann, sagt Eva Tilly:Viele von uns haben immens unter den Einschränkungen gelitten.“ Nicht in allen Branchen und nicht in allen kulturellen Arbeitsfeldern war es möglich gewesen, auf Online-Formate auszuweichen. In diesen Fällen brachen die Einnahmen zum allergrößten Teil weg.

Plötzlich hatten viele ihr Schicksal nicht mehr in der Hand. Genauso geht es vielen Menschen, die, zum Teil täglich, die Bahnhofsmission besuchen. Nicht wenige hatten irgendwann einmal ein mehr oder weniger normales Leben geführt. Dann zerbrachen essenzielle Beziehungen. Es kam zu einer schweren Erkrankung. Oder es wurde notwendig, das Heimatland zu verlassen. Und in einer völlig fremden Umgebung Fuß zu fassen. Was nicht in jedem Fall gelingt.

Die Konzertreihe wird am 1. Oktober um 16 Uhr mit Mr. Clarino und Hyun Bin Park fortgesetzt. Weitere Konzerte folgen am 8. Oktober um 17 Uhr mit Eva Tilly und Christoph Lewandowski und am 15. Oktober um 16 Uhr mit Mr. Clarino und Sinisa Ljubojevic.

 

 

BU: „Salsamania“ begeisterte in der Bahnhofshalle. Bild: Förderverein Bahnhofsmission