Würzburg: Wie jedes Jahr zum 1. Mai wurden auch dieses Jahr die Interessenvertreter:innen der Gewerkschaften laut mit ihren Forderungen. Auch in Würzburg fand wieder die jährliche Kundgebung statt.Unter dem Motto „GeMAInsam Zukunft gestalten“ rief der Deutsche Gewerkschaftsbund auf, zum internationalen Tag der Arbeit auf die Straßen zu gehen. Vertreter:innen verschiedener Parteien und Gewerkschaften waren dem Aufruf gefolgt und Teile der zivilen Bevölkerung schlossen sich zu großen Teilen an.
„Alle zusammen zum 1. Mai“ skandierend starteten die rund 400 Teilnehmer:innen mit einem Demonstrationszug vom Würzburger Hauptbahnhof bis zum unteren Markt.Dort angekommen ließ sich durch die verschiedenen Stände, Bierzeltgarnituren, die Bühne und Gastronomie-Wägen eine leichte Feststimmung vernehmen. Spätestens mit dem Hinweis, Bier dürfe erst nach der Veranstaltung konsumiert werden, flachte diese ein Stück weit ab.Wie seit dem Ende der Corona Schutzmaßnahmen üblich, trugen auch auf dieser Veranstaltung nur vereinzelte Teilnehmer:innen einen Mund-Nasen-Schutz. Monika Hartl betonte in ihrer Rede als GEW-Vorsitzende gleich zu Anfang: „Wie wunderschön ist es, hier den ersten Mai wieder mit euch zu feiern! Nach all der Zeit der Pandemie.“ Die darauffolgenden Sätze gingen schnell auf die Lage in der Ukraine ein und verurteilen die Greul der russischen Regierung zutiefst. Humanitäre Hilfe sei unabdingbar. Eines sei jedoch klar: Der Krieg in der Ukraine dürfe nicht den Frieden in ganz Europa gefährden.
„Hoch die internationale Solidarität!“
Anderthalb Stunden lang folgte auf dem unteren Markt die traditionelle Maikundgebung mit engagierten Stimmen. Vertreter:innen von GEW, ver.di, IG Metall sowie von Jugendorganisationen hielten allumfassende Reden, die alle auf Solidarität miteinander, sozial gerechtere, nachhaltige Strukturenund natürlich maßgeblich gerechte Tarif- und Arbeitsbedingungen abzielten.Gefordert wird eine Arbeitgeber- und Arbeitnehmer:innenfreundliche sowie ökologisch nachhaltige Transformation. In Bayern arbeiten nur rund 50 Prozent der Arbeitnehmer:innen tarifgebunden, hieraus ergäbe sich akuter Handlungsbedarf. Die DGB Unterfranken startet ihre Kampagne "Kommunale Vergabe nur nach sozialen und ökologischen Kriterien" und fordert indes eine kommunale Vergabeordnung. Eine Broschüre zum Tariftreue- und Vergabegesetz wird an die Adressat:innen ausgegeben, auf Reaktionen werde gewartet. In der Stadt Würzburg sei schon eine Vollzeitstelle für die Kooperation mit den Gewerkschaften eingerichtet worden.
Die Vertreter:innen der Jugendorganisationen adressierten die Ursachen unserer sozialen Probleme in aller Deutlichkeit und verliehen damit den Redebeiträgen der Vorgänger:innen Nachdruck. Ein progressives Streikrecht wird gefordert. „Wir leben in dunklen Zeiten“, startet ein Redebeitrag der jungen Vertreter:innen, „der Gesellschaft geht es schlecht“. Mit rhetorischer Stilsicherheit werden Bilder gemalt, um die Auswirkungen des (globalen) Kapitalismus oder der Asylpolitik der Großen Koalition anschaulich und künstlerisch aufzuzeigen. Solidarität sei ein „Tun-Wort“, man könne sie nicht verkaufen oder verschenken – es gehe um das solidarische Handeln aus diesem Gedanken.
Gegen 15:30 Uhr hatte sich die Teilnehmer:innenanzahl der Gewerkschaftskundgebung mehr als halbiert und einzelne Teile der Versammlung beteiligten sich am Gegenprotest bezüglich der verschwörungsideologischen Versammlung.
Parallel sammelten sich ab 14 Uhr die Teilnehmenden der verschwörungsideologischen Versammlung, auf den Würzburger Mainwiesen. Unter dem Motto „Frieden heißt Freiheit – Für ein Ende der Coronamaßnahmen!“ kamen bis zu 1500 Personen aus dem Rhein-Main-Gebiet zusammen, wobei die Teilnehmendenzahl unter den Erwartungen von 2000-5000 blieb.
Zur Auftaktkundgebung sprach sich der Würzburger Rechtsanwalt Georg Dierkes in gewohnt kämpferischer Manier für die Verteidigung von Freiheit und Demokratie aus und wehrte sich gegen Anschuldigungen des rechten Gedankenguts und Antisemitismus in der Szene als Verleumdung. Seine Darstellung wurde jedoch schon wenige Minuten später entkräftet, als die AfD Bundestagsabgeordnete Christina Baum, die als „süddeutsche Stimme“ des rechtsextremen Flügels um Björn Höcke gilt, zu Wort kam. Auch der Auftritt rechtsoffener Gruppen wie „Stay Awake Bamberg“, und einer Delegation aus Ansbach, mit Kontakten zu NPD und 3. Weg, machten jeglichen Versuch einer Distanzierung nach außen unglaubwürdig. Kundgebungsmittel mit antisemitischen Inhalten vervollständigten das Bild.
Von Marschtrommeln begleitet bewegte sich die Demonstration durch die Innenstadt. Im Verlauf kam es zu mehreren Blockaden der antifaschistischen Szene. Diese wurden jeweils nach wenigen Minuten durch Kommunikation mit der Polizei aufgelöst, sorgten jedoch dafür, dass die Route der Demonstration gekürzt werden musste. Die Teilnehmenden der verschwörungsideologischen Versammlung beantworteten die Blockaden mit „Nazis raus!“ und „Gegen den Faschismus!“ Rufen, was bei Außenstehenden für Verwirrung sorgte und in Anbetracht der Tatsache, dass in der Eigenen Demonstration Personen aus dem rechts-offenen- bis rechtsextremen Spektrum mitliefen, etwas paradox erscheint.
Redebeiträge bekannter Gesichter, sowie musikalische Einlagen füllten die Abschlusskundgebung. Darunter auch eine ehemalige Lehrerin aus Rüsselsheim, die sich empört gegenüber der Vermittlung von Werten wie Zivilcourage und Solidarität an Schulen äußerte. Zu erwähnen ist auch der Auftritt von Apl. Prof. Ulricke Kämmerer, die als Biologin an der Uniklinik Würzburg schon länger wegen Aussagen zur angeblichen Unzuverlässigkeit von PCR-Tests und ihrer Verstrickung in der verschwörungsideologischen Szene in der Kritik steht. Geheimer „Special Guest“ des Abends war der Mediziner und Verschwörungsideologe Bodo Schiffmann, der sich mit einer Videobotschaft an die Menschen in Würzburg wendete. Schiffmann ist wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung und der Ausstellung falscher Atteste angeklagt.
Als musikalisches „Highlight“ des Abends trat der Szene-Rapper „SchwrzVyce“ der mit Lines wie „Ja lieber als ein Mitläufer unter Vollidioten – Lauf ich für mein Land mit den echten Patrioten – Mit eurer Diktatur ruiniert ihr dieses Land – Deswegen dieser Kampf – jetzt ist Zeit für Widerstand“ die Mainwiesen zum Tanzen brachte. Sein Auftritt gipfelte in der Aufforderung eine rassistische Bezeichnung laut mitzusingen, worauf die Menge einstieg. Um 20:30 Uhr wurde die Versammlung mit einem Bruchteil der ursprünglichen Teilnehmenden beendet.
In den einschlägigen Kanälen wurde die Demo als Erfolg gefeiert. Gleichzeitig wurde das kommunikative Vorgehen der Polizei in Bezug auf die Blockaden scharf angeprangert, teils mit NS-Bezügen. Andere, wie Georg Dierkes hingegen äußerten sich positiv, man habe dreimal die Möglichkeit gehabt eine ungeplante, stationäre Kundgebung abzuhalten. In der Gesamtschau konnte die Versammlung wohl jedoch nicht den gewünschten Erfolg erzielen.