Soziale Netzwerke

  

Anzeige

Covid-19: Qualität der Antikörper ist mindestens so wichtig wie Quantität

Immunologen aus Würzburg tragen mit Untersuchung zur Bindungsfähigkeit der Antikörper zur wegweisenden Covid-19-Studie im Nature Medicine bei. Elementare Ergebnisse: 1. Unser Immunsystem muss dreimal das Spike-Protein gesehen haben, um eine breite Immunität aufzubauen – auch gegen Omikron. 2. Unser Immunsystem benötigt Zeit für die Reifung der Antikörper. 3. Die Qualität der Antikörper ist mindestens genauso wichtig wie die Quantität.

- Würzburg -

Beta, Gamma und Delta und nun Omikron. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie entwickeln sich immer neue besorgniserregende Varianten, auch als VOC für variants of concern bekannt. Die große Frage, die Forschende weltweit beschäftigt: Wie gelingt es, die Menschen bestmöglich gegen SARS-CoV-2 Infektionen zu schützen?

 

Eine relevante Antwort darauf hat ein Team um Prof. Dr. Ulrike Protzer vom Institut für Virologie der Technischen Universität München, Helmholtz Zentrum München und Deutschem Zentrum für Infektionsforschung sowie Prof. Dr. Percy A. Knolle vom Klinikum rechts der Isar der TUM jetzt im renommierten Journal Nature Medicine veröffentlicht.

 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben gezeigt, dass das Immunsystem nach insgesamt drei Kontakten zum viralen Spike-Protein eine qualitativ hochwertige Antikörper-Antwort entwickelt. Diese Antikörper können auch Omikron effizient neutralisieren. Das gilt für Genesene nach zwei Impfungen und für zweifach Geimpfte nach Durchbruchsinfektion genauso wie für dreifach Geimpfte. Die Forschenden sind sich einig: „Die durch eine Impfung aufgebaute beziehungsweise verstärkte Immunität ist der Schlüssel zu einem effektiven Schutz vor zukünftigen Varianten des Virus. Aber auch eine Durchbruchsinfektion, so ärgerlich sie ist, erreicht den Effekt einer zusätzlichen Impfung.“

 

In der Längsschnitt-Studie mit 172 Teilnehmenden haben die Forschenden im Blut der Probandinnen und Probanden mehrere Parameter bestimmt: die Menge der Antikörper vom Typ Immunglobulin G (IgG), die Stärke der Bindung zwischen Virus-Protein und Antikörper sowie die Fähigkeit von Antikörpern, SARS-CoV-2 Varianten in Zellkultur zu neutralisieren. Die beiden letzteren sind besonders wichtig, um das Ausmaß der schützenden Immunität abzuschätzen.

 

Wesentlicher Beitrag aus Würzburg

Einen wesentlichen Beitrag dazu haben die Immunologen Prof. Dr. Martina Prelog und PD Dr. Giovanni Almanzar sowie der Medizindoktorand Tim Vogt vom Universitätsklinikum Würzburg geleistet. Für die Bestimmung der Bindungsaktivität der Antikörper gegen ihre Antigene haben sie ein Aviditäts-Assay für SARS-CoV-2-spezifische Antikörperantworten etabliert und durchgeführt. „Mit der Avidität bestimmen wir die synergistische Bindungsstärke der Antikörper“, erläutert Martina Prelog und zieht zur Veranschaulichung eine Grafik heran. Diese zeigt Antikörper in klassischer Y-Form, die an ein Antigen andocken und dieses neutralisieren. Bei einer hohen Avidität hält die Antikörper-Antigen-Bindungen selbst nach einem Ablösungsversuch durch ein sogenanntes chaotropes Agens.

 

„Wenn in einer Serumprobe von 1.000 Antikörpern nach der Behandlung mit einem chaotropen Agens 800 gebunden bleiben, haben wir eine Avidität von 80 Prozent. Genau diesen Wert haben wir bei unseren Serumproben gesehen. Und das ist ein wirklich guter Wert für hochbindende Antikörper“, bemerkt Giovanni Almanzar, der für die Etablierung der Untersuchungen mehrere chaotrope Agenzien getestet und das Protokoll für die Aviditäts-Assays gemeinsam mit Martina Prelog entwickelt hat.

 

„Die Stärke unseres Immunsystems, das Corona-Virus zu neutralisieren, sollte also nicht allein anhand der Konzentration der Antikörper bemessen werden, mindestens genauso wichtig wie der Titer ist Bindungsstärke der Antikörper an das Virus oder seine Bestandteile“, resümiert Martina Prelog. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin arbeitet bereits seit 15 Jahren an der Avidität und hat einige immunologische Tests unter anderem auch Analysen zur Bestimmung der zellulären Immunität für andere Infektionskrankheiten entwickelt. Als Mitte Dezember die Anfrage von Ulrike Protzer kam, die Analyse der Antikörper-Avidität durchzuführen, hat sie umgehend zugesagt. Alles wurde auf die Untersuchung dieser Laborproben umgestellt und binnen weniger Tage waren knapp 100 Proben mit Verlaufsseren analysiert. Und es geht weiter: „Das Aviditäts-Assay könnte auch zukünftig eine relevante Methode zur Bestimmung der synergistischen Bindungsaktivität der Antikörper gegen ihre Antigene bei vielen infektiologischen und immunologischen Erkrankungen sein“, so Prelog. „Insbesondere da die Avidität durch klonale Hypermutation der B-Zellen ausreift und damit ein Surrogatmarker für die Antikörper-Reifung und das immunologische Gedächtnis darstellt.“

 

Publikation:

Wratil, P.R., Stern, M., Priller, A. et al. Three exposures to the spike protein of SARS-CoV-2 by either infection or vaccination elicit superior neutralizing immunity to all variants of concern. Nat Med (2022). https://doi.org/10.1038/s41591-022-01715-4

Grafik: Bei einer hohen Avidität hält die Antikörper-Antigen-Bindungen selbst nach einem Ablösungsversuch durch ein sogenanntes chaotropes Agens. © UKW Bild: Prof. Dr. Martina Prelog vom Uniklinikum Würzburg hat für die Bestimmung der Bindungsaktivität der Antikörper gegen ihre Antigene ein Aviditäts-Assay für SARS-CoV-2-spezifische Antikörperantworten etabliert und durchgeführt. © Kirstin Linkamp/UKW