WÜRZBURG - Eine für andere Indikationen gescheiterte Prüfsubstanz der Firma Bayer könnte möglicherweise als Covid-19-Medikament funktionieren. Das Uniklinikum Würzburg ist als Konsortialpartner und Prüfzentrum an der dafür erforderlichen Phase II-Studie beteiligt.
Eine Covid-19-Infektion verläuft häufig dann besonders schwer, wenn das Immunsystem mit einer überschießenden Immunantwort reagiert. Das fanden kürzlich Forscher*innen des Berlin Institute of Health (BÌH) gemeinsam mit Kolleg*innen aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Universitätsklinikum Leipzig heraus. Sie entdeckten, dass die vom Virus befallenen Epithelzellen das Immunsystem quasi zu Hilfe rufen. Beim Einwandern von Immunzellen in die Atemwege sind Chemokine – Botenstoffe des Immunsystems – beteiligt. Epithelzellen und aktivierte Immunzellen schütten diese aus und locken damit weitere Immunzellen an.
Idee: Den Empfang von Botenstoffen stören
Die Immunzellen besitzen Chemokin-Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche, mit denen sie die Hilferufe „empfangen“ können. Laut Prof. Dr. Irina Lehmann vom BIH spielt hierbei vor allem der Chemokin-Rezeptor 1 (CCR1) eine besondere Rolle. So kamen die Wissenschaftler*innen auf die Idee, diesen Rezeptor zu blockieren, um die überschießende Immunantwort zu dämpfen. Sie gingen auf die Suche nach bereits bekannten Blockern dieses Rezeptors – und wurden mit der ehemaligen Prüfsubstanz BX471 des Pharmakonzerns Bayer fündig. Dieser Wirkstoff sollte ursprünglich bei chronischen Entzündungen helfen. Auch dort spielt der Rezeptor CCR1 eine Rolle. Die Substanz erwies sich als gut verträglich, zeigte aber bei den anvisierten Indikationen nicht die gewünschte Wirkung.
UKW ist Teil einer multi-zentrischen Studie
Jetzt erhält BX471 in einer multi-zentrischen Studie als potenzielles Covid-19-Medikament eine zweite Chance. Bei dem geplanten Vorhaben namens CATCOVID kooperieren das BIH, die Bayer AG, das Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin und die Universitätsklinika Leipzig und Würzburg. Am Uniklinikum Würzburg (UKW) wird das Vorhaben geleitet von Prof. Dr. Peter Kranke. Der Ärztliche Leiter der Klinischen Studien an der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie kommentiert: „Wir sind schon sehr gespannt, ob und wie sich die Vermutungen zur Wirkung in der Corona-Therapie erfüllen. Ein Vorteil ist, dass wir aufgrund der bei Bayer aus der Geschichte der Substanz schon vorliegenden Studiendaten direkt mit der klinischen Erprobung beginnen können.“ Und Prof. Dr. Patrick Meybohm, der Direktor der Klinik für Anästhesiologie, ergänzt: „Bislang zeichnet sich bei schweren Erkrankungsverläufen, wie wir sie auf der Intensivstation bei Covid-Patienten sehen, neben Dexamethason noch keine wirksame pharmakologische Intervention ab. Insofern ist jede Substanz, die in klinischen Studien solide untersucht wird, ein Hoffnungsschimmer für uns.“
Start in einigen Monaten Bis die ersten Patient*innen in die Studie aufgenommen werden können, werden nach seinen Worten allerdings noch einige Monate vergehen, denn zunächst muss die Bayer AG den Wirkstoff in adäquaten Mengen herstellen und auch bei den Prüfzentren müssen aktuell noch einige formale Voraussetzungen für die Durchführung abgearbeitet werden. Das Bundesforschungsministerium fördert CATCOVID mit rund 3,5 Millionen Euro.