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Dringlichkeitsantrag:

Schweinfurter Corona-Sozialplan

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Remelé,

wir beantragen zur Haupt- und Finanzausschusssitzung am 21. April und zur Stadtratssitzung am 28. April die Befassung mit folgenden Vorschlägen zur sozialen Bewältigung der Corona-Pandemie. Den Antrag nennen wir „Schweinfurter Corona-Sozialplan“.

 

Wir möchten vorausschicken, dass wir mit unseren Vorschlägen die Stadtverwaltung in ihrer Arbeit unterstützen wollen. In diesem Zusammenhang möchten wir uns stellvertretend für alle städtischen Beschäftigten herzlich bei den Pflegekräften und dem medizinischen Personal im Leopoldina-Krankenhaus und im Friederike-Schäfer-Heim, bei den Busfahrer/innen der Stadtwerke, bei den Mitarbeitern des Wertstoffhofs und allen Verantwortlichen des Krisenmanagements in der Stadtverwaltung für ihren Einsatz und ihr Engagement in diesen schwierigen Zeiten aufrichtig bedanken.

 

Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Tatsache, dass die Chancen zur sozialen Bewältigung dieser Krise stark von der finanziellen Ausstattung der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt abhängen. Beispielsweise treffen Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote Menschen umso härter desto beengter die Wohnverhältnisse sind und Schulschließungen beschneiden die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern umso stärker desto unsicherer das familiäre Zusammenleben ist. Auch die technische Ausstattung der Schulkinder entscheidet über die Möglichkeiten, digitale Lernangebote nutzen zu können. Kinder aus finanzschwachen Familien sind auch diesbezüglich benachteiligt. Wir betrachten unseren 11-Punkte-Sozialplan deshalb auch als Initiative gegen wachsende Ungleichheit.

 

Die folgenden Anregungen sind eine Aufzählung ohne Rangfolge oder Prioritäten. Deshalb sind sie nicht nummeriert. Wir wünschen uns zu diesen Vorschlägen eine unvoreingenommene Diskussion im Stadtrat, die ohne Beschlussempfehlung der Stadtverwaltung auskommt. Eine kurze Darstellung der Situation aus Sicht der Stadtverwaltung reicht unseres Erachtens völlig aus, damit sich die Gremienmitglieder im Haupt- und Finanzausschuss und im Stadtrat ihre Meinung bilden können und gegebenenfalls Beschlüsse fassen können.

 

- Unentgeltliches Essen auf Rädern der Stadt Schweinfurt für Kinder aus Hartz-IVFamilien, Kinder im Sozialhilfebezug und Empfänger/innen der Grundsicherung im Alter (Hartz IV für Rentner/innen). Für viele finanziell benachteiligte Familien und Alleinerziehende ist das Auskommen mit den geringen Regelsätzen in Corona-Krisenzeiten umso schwerer, da für die Kinder der tägliche Verpflegungssatz bei nur 2,90 Euro liegt und die kostenfreie oder kostengünstige Mittagsverpflegung der Kinder in den ganztagsbetreuten Klassen wegfällt. Außerdem stünde es der Stadt Schweinfurt gut zu Gesicht, wenn auch finanzschwache Rentnerinnen und Rentner unentgeltlich oder zu einem kleinen Unkostenbeitrag eine warme Mahlzeit am Tag erhielten.

 

- Vorbeugende sporadische oder dauerhafte Tagesbetreuung für Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen auf Empfehlung des Jugendamts der Stadt Schweinfurt. Ziel dieser Möglichkeit für das Jugendamt ist die Entspannung von Konfliktsituationen in Familien, die schon bisher Unterstützung benötigten, um Gewalt zu vermeiden.

 

- Um gegen die mögliche Zunahme von häuslicher Gewalt gegen Frauen gewappnet zu sein, empfehlen sich vorausschauende Maßnahmen zur Unterbringung der betroffenen Frauen und Kinder. Es ist zu vermuten, dass die Kapazitäten des Frauenhauses derzeit nicht ausreichen. Abhilfe kann durch weitere anonyme Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden. Dazu eignen sich Vereinbarungen mit Hotels oder der SWG.

 

- Um auch obdachlose Mitbürgerinnen und Mitbürger vor der Pandemie zu schützen sind, wenn nötig, übergangsweise Zimmer in leerstehenden Hotels anzumieten, um diesen Personenkreis dort sicher unterzubringen.

 

- Damit Corona-getriebene Anträge auf Hartz IV und andere Sozialleistungen im Zuständigkeitsbereich der Stadt Schweinfurt ohne Zeitverlust bearbeitet werden können, sind die zuständigen Stellen personell vorrübergehend entsprechend auszustatten.

 

- Die Option von Hartz-IV-Sanktionen des Job-Centers gegenüber Leistungsempfängern sollen bis zum Ende der Corona-bedingten Einschränkungen der Freiheitsrechte ausgesetzt bleiben.

 

- Städtischer Schutzschirm für Vereine. Die Auflage eines städtischen Fonds im Umfang von z. B. 150.000 Euro für Sportvereine mit eigenen Liegenschaften und für Kulturvereine mit eigenen Programmen, die in absehbarer Zeit nicht stattfinden werden, ist anzustreben. Im Sinne des Fortbestehens des gesellschaftlichen Lebens nach der Corona-Krise halten wir es für sinnvoll, diese Vereine vor der Insolvenz zu bewahren.

 

- Wir wollen, dass der Stadtrat die Zusage der Stadtwerke Schweinfurt bekräftigt, von Stromsperren als Mittel des Zahlungszwangs der Schuldner/innen bis auf Weiteres abzusehen.

 

- Wir regen zudem an, die SWG aufzufordern, Mietern mit Stundungen und befristeten Mietreduzierungen entgegenzukommen, die in Kurzarbeit geraten sind oder ihren Arbeitsplatz bzw. ihre selbstständige Existenzgrundlage durch die gesetzlichen Einschränkungen der Gewerbefreiheit verloren haben.

 

- Landauf, landab werden die Beschäftigten in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen für ihre tägliche Arbeit beklatscht und als systemrelevant hervorgehoben. Dazu zählen auch alle Dienste, die in einem Krankenhausbetrieb zu erledigen sind (Reinigung, Hilfsdienste, Wäscherei, Kantine etc.). Infolge dieser Erkenntnis schlagen wir vor, die Beschäftigten der Leopoldina Service GmbH wieder in den Tarifvertrag des öffentlichen Dientes (TVÖD) zu überführen. Davon hätten die „Helden der Corona-Krise“ wirklich etwas Greifbares.

 

- Der Freistaat Bayern finanziert allen Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern während dieser extrem fordernden Zeit eine kostenfreie Mahlzeit am Tag. Im Leopoldina-Krankenhaus soll diese Mahlzeit nur im Zeitraum von 11 bis 14 Uhr einzunehmen sein. Pflegekräfte, deren Schichten vorher enden, oder nachher beginnen seien benachteiligt, wie uns aus zuverlässiger Quelle berichtet wurde. Sollte das so sein, bitten wir eindringlich darum, Lösungen zu finden, damit wirklich alle Mitarbeiter/innen von der täglichen kostenfreien Mahlzeiten Gebrauch machen können. Dies könnte durch getaktete Ausgabezeiten ebenso erfolgen wie durch Gutschriften.

 

Uns ist bewusst, dass diese Maßnahmen Geld kosten und die Stadt Schweinfurt gleichzeitig selbst Einnahmeverluste aus deutlich rückläufigen Gewerbesteuereinnahmen zu verzeichnen hat. Gleichzeitig wissen wir um die Rücklagen der Stadt in Höhe von 100 Mio. Euro zu Jahresbeginn, die einen Schweinfurter Corona-Sozialplan ermöglichen. Das setzt mutige Entscheidungen des Stadtrats voraus, von denen wir uns eine Stärkung der gesellschaftlichen Solidarität in unserer Stadt erwarten.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Frank Firsching, Fraktionsvorsitzender

Sinan Öztürk, stellv. Fraktionsvorsitzender

Carmen Starost, Stadträtin