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Einladung zur Verlegung der Stolpersteine am Freitag, den 17. Juli 2020

Würzburg - am Freitag, den 17. Juli werden in Würzburg von Gunter Demnig zum 28. Mal Stolpersteine verlegt, diesmal 16. Insgesamt werden danach 599 Steine vor Häusern von ermordeten NS-Opfern liegen. Genauer Verlauf auf beigefügtem Plakat.

 

Um 9.00 Uhr wird die 9. Klassen der Leopold-Sonnemann-Realschule aus Höchberg im Winterleitenweg 24 g einen Stolperstein für Margarete Hülle verlegen. Die Schüler werden auch die Verlegung gestalten.

 

Eine Abendveranstaltung entfällt diesmal.

 

Lebenslauf

Margarete Hülle, geb. Hiller, verw. Bentheim Geb. am 13.06.1877 in Breslau, wohnhaft im Winterleitenweg 24 g; www.stolpersteine-wuerzburg.de

Margarete kommt als Tochter von Valentin Hiller und Martha Hiller, geb. Reinert, in Breslau im Jahr 1877 zur Welt. Sie wächst mit ihren beiden älteren Brüdern Moritz Reinert und auf dem Rittergut ihres Vaters auf, der sehr früh verstarb. Im März 1881 verzieht die Familie nach Carlsruh an der Oder und von dort nach Berlin. Die Mutter heiratet Daniel Timendorfer (1846-1909) und lebt mit ihm und den Kindern in Berlin. Margarete erlernt keinen Beruf, wie das in gut bürgerlichen Verhältnissen üblich ist. In Berlin erscheint im April 1906 eine Anzeige über ihre Verlobung mit Ferdinand Bentheim, dessen Familie aus Hamburg stammt und der in Manchester lebt. Nach ihrer Heirat wohnt sie mit ihrem Mann in England, wo auch die beiden Söhne Paul Hans und Martin Edwin zur Welt kommen. Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs wird ihr Mann 1915 als deutscher Staatsbürger in England verhaftet und –schon unheilbar erkrankt- nach Deutschland abgeschoben. Auf einen kurzen Aufenthalt in Hamburg folgt die Übersiedlung nach Berlin, wo Ferdinand Bentheim schon nach kurzer Zeit 1917 stirbt und wie Margaretes Mutter und ihr Bruder Moritz auf dem jüdischen Friedhof in Berlin Weißensee begraben wird.

 

Um sich und die beiden Söhne durchzubringen, arbeitet Margarete Bentheim als Buchhalterin in einer Firma, die mit Ölen und Fetten handelt, und später als Übersetzerin für eine amerikanische Zeitung. Dann ist sie bei einer amerikanischen Firma für 3 Jahre als Bürovorsteherin beschäftigt. Nach Auflösung dieser Firma bekommt sie kein festes Arbeitsverhältnis mehr und kann nur noch gelegentlich durch Übersetzungen Geld verdienen.

 

Im Dezember 1928 heiratet sie den Bibliotheksdirektor Hermann Hülle, der wie sie aus Breslau stammt. Sie nimmt die Konfession ihres Mannes an und tritt der evangelischen Kirche bei. Mit Erreichen der Altersgrenze muss ihr Mann 1935 seinen Dienst quittieren und zieht mit ihr im Oktober des gleichen Jahres nach Würzburg. Dort wohnen sie im eigenen Haus im Winterleitenweg 24g. In ihrer Gestapoakte finden sich frühe Hinweise darauf, was Margarete Hülle von ihrer Nachbarschaft zu erwarten hat: Vom Oktober 1937 stammt ein Auskunftsersuchen eines benachbarten SA –Oberscharführers, ob die Professorengattin arischer Herkunft sei. Die Gestapo leitet die Anfrage nach Breslau weiter und die Antwort von dort ist eindeutig: Margaretes Eltern waren Juden und sie besaß zur Zeit der Geburt die jüdische Religion. Als Hermann Hülle im April 1940 stirbt, ist dessen Tochter Christa die Haupterbin auch des Hauses. Margarete lebt von der Pension ihres Mannes. Als sie Anfang 1941 ein Zimmer an einen Soldaten untervermietet, wird sie von diesem angezeigt, weil sie als Jüdin nicht vermieten dürfe. Außerdem stehe sie in Briefwechsel mit ihren zwei Söhnen, die bereits seit Anfang der 30-er Jahre nach England ausgewandert waren. Die Briefe würden über Amerika und Schweden geleitet. Bei der Vernehmung gibt sie an, dass sie von dem Vermietungsverbot nichts gewusst habe und dass sie sich seit ihrer Umtaufe nicht mehr als Jüdin sehe. Wörtlich heißt es: Ich nehme zur Kenntnis „dass ich ab 5.4.41 an Deutschblütige nicht mehr vermieten darf und dass ich bei Nichtbefolgung dieser staatspolizeilichen Auflage mit Einweisung in ein Konzentrationslager zu rechnen habe.“

 

Wegen des Kontakts zu den Söhnen im feindlichen Ausland durch Mittelspersonen wird sie schärfstens verwarnt. Kontakt ist nur über das Rote Kreuz in Berlin zulässig. Da sich ihre Nachrichten lediglich auf Geburtstagsglückwünsche und die Anzeige zum Tod ihres Mannes beschränkten und die wenige Post ihrer Söhne geöffnet und nicht beanstandet worden war, wurden ihr deren Briefe nach erneuter Prüfung wieder ausgehändigt.

 

Es folgen weitere Beschwerden aus der Nachbarschaft: Sie gehe ohne Judenstern im Steinbachtal herum und auch in die Stadt und benutze als Jüdin die Straßenbahn. Sie besitze Lebensmittelmarken ohne das „J“. „Die Hülle hat in einem Nebenzimmer ihrer Wohnung noch Teppiche, Körbe voll Porzellan und Kristall, sie besitzt auch noch Schmuck.“ Man fragt, wie es sein könne, dass sie Mitglied der NS-Volkswohlfahrt (NSV) sei und dass eine arische Tochter von einer Jüdin betreut werde. Der Brief endet mit der Formulierung „Deshalb wird empfohlen sie dorthin zu bringen, wohin sie gehört“ und ist unterzeichnet mit „Die Nachbarschaft“ und einem Namen.

 

Zur Ablieferung ihrer Gold- und Silbergegenstände bei einer Pfandleihanstalt war sie schon verpflichtet worden. Nun folgt ein Verfahren wegen Erschleichung der Mitgliedschaft im NSV, das eingestellt werden muss, weil kein strafbares Verhalten vorliege – bereits in Berlin wurde von dem Ehepaar der Beitritt erklärt und bis April 1941 habe sie nur Beiträge bezahlt und keinerlei Leistungen beansprucht.

 

Als sie die Nachricht bekommt, dass sie sich zur Deportation bereit machen muss, wählt Margarete Hülle den Freitod. Sie überlebt. Am 23. September 1942 wird die 65-jährige Frau mit der zweiten großen Altersdeportation nach Theresienstadt verschleppt, wo sie in Folge der unsäglichen Lebensbedingungen am 5. April 1943 umkommt.