Soziale Netzwerke

  

Anzeige

Gedenken für Opfer aus Unterfranken im Lager Theresienstadt

Würzburg - Theresienstadt: Die Morgennebel steigen an diesem Freitag erst so langsam auf. Wie es wohl vor 80 Jahren gewesen sein mag, als damals die Würzburger Jüdinnen und Juden die drei Kilometer vom Bahnhof Bauschwitz in das „Ghetto Theresienstadt“ gezogen sind? Beladen mit ihrem Gepäck, eingemummt in ihre guten Kleider, voll bedrückender Erwartungen. Bei ihrer Ankunft im „Ghetto“ sahen sie als erstes gestapelte Särge, die auf Beerdigung warteten.

Und genau gegenüber, vor dem Kolumbarium, fand sich in unseren Tagen zum Gedenken eine Gruppe Würzburger*innen ein, die eine Tafel für die „über 750 Kinder und Erwachsenen“, enthüllen wollten, die insgesamt aus Würzburg und Unterfranken ins heutige Terezín deportiert worden waren.

Die aus Würzburg Angereisten trafen auf die Verantwortlichen der Gedenkstätte, die mit ihrem Direktor, Dr. Jan Roubinek, gekommen waren. Etwa 30 Erinnerungstafeln befinden sich bereits im Kolumbarium.

Im Beisein von Dr. Jan Roubinek, Leiter der Gedenkstätte Theresienstadt, und Dr. Riccardo Altieri, Leiter des Johanna-Stahl-Zentrums Würzburg, vertretend den Bezirk Unterfranken, enthüllten der Kulturreferent der Stadt Würzburg, Achim Könneke, und Elke Wagner, Initiatorin der Tafel, vertretend den Arbeitskreis Stolpersteine, eine Gedenktafel im Kolumbarium des ehemaligen Lagers. Neben Mitgliedern des AK Stolpersteine war auch die Nachfahrin eines Würzburger Opfers anwesend, an diesem 23. September 2022, auf den Tag genau 80 Jahre nach der zahlenmäßig größten Deportation aus Würzburg nach Theresienstadt.

Text und Gestaltung der Gedenktafel stammen von Ingrid Sontag und Elke Wagner, entstanden im Zusammenwirken vom AK Stolpersteine, dem Würzburger Grafiker Andreas Bestle, der Stadt Würzburg und dem Bezirk Unterfranken sowie der Gedenkstätte Theresienstadt. Die Tafel erinnert nicht nur an die vielen Opfer aus unserer Region, sondern illustriert in einer Karte von deren Herkunftsorten gleichzeitig auch die Vielzahl jüdischer Gemeinden Unterfrankens vor der Shoa.

Zunächst stellte der Leiter Dr. Jan Roubinek die tödliche Bedeutung Theresienstadts für die Menschen in Deutschland, Österreich, aber auch die Niederlande und Dänemark heraus.Die Zahlen seien unvorstellbar gewesen: „In der dunkelsten Zeit von 1942-1943 waren auf einmal fast 60.000 jüdische Gefangene hinter den Mauern des Ghettos Theresienstadt zusammengepfercht.“ Zur Platzierung der Gedenktafel erläuterte er: „An diesem Ort befand sich einst das sogenannte Kolumbarium. Hier wurde bis Herbst 1944 die Asche von mehr als 30.000 Häftlingen aufbewahrt, die hier unter unmenschlichen Bedingungen starben oder umkamen. Die Asche der meisten wurde im November 1944 auf Befehl des Theresienstädter Ghettokommandanten in den nahegelegenen Fluss Eger geschüttet, um die Spuren des Nazi-Amoklaufs zu verwischen.“ So erfülle diese Tafel auch „die imaginäre Rolle eines jüdischen Friedhofs“, wo man der Ermordeten gedenken könne.

Die Initiatorin der Tafel, Elke Wagner, erklärte in ihrer Rede die Gründe für ihren ganz persönlichen Bezug zu diesem Ort. Im Rahmen ihres Engagements für den AK Stolpersteine hatte sie seit 2014 sehr viele Biografien von Deportationsopfern aus Würzburg erstellt. Bei einem Besuch der Gedenkstätte 2018 waren ihr deshalb wieder einige Namen der nach Theresienstadt verbrachten Menschen eingefallen. So entstand der Wunsch, dass hier durch eine Gedenktafel auch der 750 Opfer aus Unterfranken gedacht werden müsse.Beispielhaft verwies sie in ihren Ausführungen auf das traurige Schicksal von Landgerichtsdirektor Karl Einstein, dessen Urgroßnichte mit zur Würzburger Delegation gehörte.

Kulturreferent Achim Könneke sprach für die Stadt Würzburg. Er stellte das Gedenken als „demokratische Pflicht“ heraus, das sich „für eine vorurteilsfreie, von Vielfalt geprägte Gesellschaft und Welt“ einsetze. Er bedankte sich bei allen, die am Zustandekommen dieser Tafel mitgewirkt hatten.

Für den Bezirk Unterfranken sprach Dr. Riccardo Altieri, der neue Leiter des Johanna-Stahl-Zentrums. Er hob drei Menschen hervor, denen es gelungen war, der organisierten Vernichtung zu entgehen. Davon die „Wundersamste“ war Dvora Pollak, die erst im Februar 1943 als Kind unterfränkischer Eltern geboren wurde. Auch ihr Vater überlebte als Bäcker mit ihr und verbrachte seinen Lebensabend im jüdischen Altersheim in der Valentin-Becker-Straße, also dort, wo heute das Museum Shalom Europa für eine neue Zukunft steht.

Anschließend enthüllten Elke Wagner und Achim Könneke die von Stadt und Bezirk finanzierte Tafel (siehe Bild von der Tafel!)

Eine Führung durch die Gedenkstätte durch die brillante Übersetzerin Eliška Dubcová rundete das Gedenken ab.

 

Foto 2: Zwei Kränze von der Gedenkstätte und von Stadt und Bezirk. Foto: by Michael Stolz

Foto 3: vlnr: Dr Riccardo Altieri, Leiter des JSZ; Elke Wagner, Initiatorin; Achim Könneke, Würzburger Kulturreferent; Benita Stolz, Koordinatorin der Würzburger Stolpersteine; Dr. Jan Roubinek; Foto: by Riccardo Altieri

Foto 4: Eingang zur Kleinen Festung Theresienstadt Foto: by Michael Stolz

Foto 5: vlnr: Dr Jan Roubinek, Direktor der Gedenkstätte Theresienstadt; Elke Wagner, Initiatorin; Übersetzerin Eliška Dubcová. Foto: by Michael Stolz

Foto 6: vlnr: Dr Jan Roubinek, Direktor der Gedenkstätte Theresienstadt; Elke Wagner, Initiatorin; Übersetzerin Eliška Dubcová. Foto: by Michael Stolz

Foto 7: Ein Raum des Kolumbariums. Foto: by Riccardo Altieri

Foto1: Von links: der Dritte: Dr. Riccardo Altieri, Leiter des JSZ; Benita Stolz, Koordinatorin der Würzburger Stolpersteine; Achim Könneke, Würzburger Kulturreferent ; Von rechtsr die Sechste Elke Wagner, Initiatorin; Christiana Gläser, Nachfahrin; Dr. Jan Roubinek, Direktor der Gedenkstätte Theresienstadt. Foto: by Michael Stolz