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Geriatrische Rehabilitation der AWO Unterfranken

Erfolgreich aber krass unterfinanziert – Besuch Bayer. Gesundheitsminister Holetschek

- Würzburg -

Zwei Tatsachen begleiten die Geriatrische Rehabilitationsklinik des AWO Bezirksverbandes Unterfranken seit der Eröffnung im Jahr 1996: Der Stolz auf die sehr erfolgreiche Arbeit des Modellprojektes – und die Sorge über die Unterfinanzierung. So fasste Geschäftsführer Martin Ulses den Anlass für einen Termin in der AWO Geriatrie in Würzburg in aller Kürze zusammen. 

 

Stolz, weil von den alljährlich rund 1000 betreuten, betagten Menschen in den 90 Klinikbetten über 80 Prozent nach dem Aufenthalt in der Würzburger Kantstraße wieder ins eigene Zuhause zurückkehren konnten. Die geriatrische Reha unterstützt damit die Selbstständigkeit alter Menschen - und verringert die Kosten für den andernfalls erhöhten Pflegeaufwand oder gar die Unterbringung in einer stationären Einrichtung, ergänzte Chefärztin Dr. Kathrin Tatschner, auch als Sprecherin für den Vorstand des Landesverbandes Geriatrie.

Unterfinanziert ist die geriatrische Reha, weil der Pflegesatz die Kosten nicht annähernd deckt. Der Gesamtverlust seit 1996, dem Jahr der Eröffnung des Modellprojektes, betrug laut Stefan Wolfshörndl, dem Vorsitzenden der AWO Unterfranken, rund 14,5 Millionen Euro. Auch wenn der Bezirksverband nach wie vor „voll und ganz überzeugt von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit Geriatrischer Reha ist“, stelle sich die Frage, wie lange man sich das Angebot noch leisten könne – „andere haben wegen dieser Bedingungen schon aufgegeben“. Immer drängender wird das Problem auch, weil es 26 Jahre nach Eröffnung Modernisierungsbedarf im Umfang von mehreren Millionen gibt, aber Investitionskosten – anders als bei Akutkliniken - im Tagessatz nicht berücksichtigt werden.

Auf der Suche nach Lösungen hatten die Verantwortlichen der AWO, unter Regie von Klinikdirektor Andreas Zenker, in den vergangenen Monaten das Gespräch mit Bundes- und Landespolitikern aller demokratischen Parteien gesucht. Ergebnis dieser intensiven Bemühungen war jetzt ein Besuch des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek (CSU) in der AWO Geriatrie.

 

Alle Beteiligten waren sich mit der ehemaligen Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) einig: „Der Grundsatz ambulant vor stationär und Reha vor Pflege steht im Gesetz, man muss ihn aber auch leben.“ Das grundsätzliche Dilemma ist: Pflegeleistungen finanzieren die Pflegekassen. Für die Kosten der geriatrischen Reha allerdings sind die Krankenkassen zuständig. Die Ersparnis kommt somit nicht beim Geldgeber an. Dass sich das ändern muss, darüber bestand Einigkeit.

Zenker nannte die Zahlen dazu: Für die AWO-Geriatrie liegt der mit den Krankenkassen ausgehandelte Tagessatz derzeit bei 235 Euro. Vor sechs (!) Jahren schon ermittelte das Weißbuch des Bundesverbands Geriatrie den Finanzbedarf mit 265 Euro pro Tag, zuzüglich eines bisher im Kostensatz gar nicht berücksichtigten Investitionsanteil. Auch tarifliche Lohnkostensteigerungen schlagen sich in den Tagessätzen nicht ausreichend nieder. 306 Euro Tagessatz, so Zenker, wären fair und kostendeckend.

Eine schnelle Lösung für die AWO hatte der Minister nicht im Gepäck. Allerdings sicherte er zu, die Anregung von Dr. Tatschner aufzugreifen und alle Beteiligten – einschließlich der Pflegekassen – an einem runden Tisch zu holen und gemeinsam mit den Kostenträgern die Finanzierungsfrage neu zu verhandeln. 

Der Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib (SPD) sieht zudem Chancen durch das Intensivpflege- und Rehabilitationsgesetz der Ampelregierung. Noch vorhandene Stolpersteine bei den Ausführungsbestimmungen will er über seine Parteikollegin Sabine Dittmar (SPD), Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, versuchen aus dem Weg zu räumen.

Bei aller Belastung des Gesundheitssystems seien die Perspektiven für Veränderungen und Paradigmenwechsel gerade derzeit grundsätzlich nicht schlecht, machten Stamm und Holetschek Hoffnung. Während Letzterer nach dem Motto, „wenn nicht jetzt, wann dann“ grundsätzliche Veränderungen in Wertung und Bewertung der Altenhilfe in Aussicht stellte, betonte die Sozialpolitikerin, dass Staat und politisch Verantwortliche sich in diesen Krisenzeiten grundsätzlich überlegen müssten, wie man es mit dem Subsidiaritätsprinzip halten und Leistungen, die andere für den Staat erbringen, honorieren wolle.

Die ganze finanzielle Last bei Wohlfahrtsverbänden abzuladen, wo sich private Anbieter längst aus der Verantwortung zögen, sei nicht der richtige Weg, bestätigte Wolfshörndl.

„Jetzt haben wir eine Chance, die wir nutzen können“, schloss Holetschek. „Dafür müssen wir allen Beteiligten klarmachen, welches Pfund wir hier in Bayern mit der Rehabilitation haben und was es für uns alle heißt, wenn diese gute Versorgung kippt.“

Bildunterzeile: Trafen sich zum Gespräch über die mangelhafte Refinanzierung der AWO Geriatrie (von links): Ulrike Hahn (AWO Bereichsleiterin Senioren und Rehabilitation), MdB Paul Lehrieder, AWO Vorsitzender Stefan Wolfshörndl, Gesundheitsminister Klaus Holetschek, Chefärztin Dr. Kathrin Taschner, Barbara Stamm (Landtagspräsidentin a. D.), Klinikdirektor Andreas Zenker, MdL Volkmar Halbleib und Martin Ulses (AWO Bezirksgeschäftsführer). Foto: Traudl Baumeister