Soziale Netzwerke

  

Anzeige

Gestresste Stadtbäume

Die Strategie des Gartenamts beim Pflegen

Würzburg

Die schlechten Nachrichten rissen für den Stadtbaum zuletzt nicht ab:
geringe Jahresniederschläge, heiße Tropen-Nächte ohne Abkühlung unter 20
Grad, Krankheiten wie das Eschentriebsterben oder der Befall mit dem
Eichenprozessionsspinner. 2021 kann nun wieder als ein Jahr ohne neue
Schreckensmeldungen verbucht werden, wie Gartenamtsleiter Dr. Helge Bert
Grob im Planungs-, Umwelt- und Mobilitätsausschuss berichtete. 

Nach Jahren, in denen mehr gesägt als gepflanzt wurde, ist die
Gewinn/Verlust-Rechnung nun fast wieder ausgeglichen: Den 305 Fällungen
von Bäumen stehen 291 Neupflanzungen auf Plätzen, entlang von Straßen
oder in Parkanlagen gegenüber. Im Lebensraum Stadtwald – also fernab der
Altstadt und der Stadtteile – sind Pflanzungen ohnehin unproblematischer
und häufiger. Die kleine klimatische Verschnaufpause für die Stadtbäume
bedeutet aber nicht, dass das Gartenamt nicht auch weiterhin alle Hände
voll zu tun hätte, um die einzelnen Stressfaktoren für das Grün kurz-
und mittelfristig in den Griff zu bekommen. Klimabürgermeister Martin
Heilig warnt: „2021 hatten wir nur fünf Hitzetage mit Temperaturen von
über 30 Grad gegenüber 15 im Jahr 2020 oder 27 im Jahr zuvor. Wir
können diese kurzfristige Entlastung aber natürlich leider noch nicht
als grundsätzliche Trendwende verbuchen, sondern müssen weiter unsere
Hausaufgaben für den Klimaschutz machen. Bäume spielen, mikroklimatisch
wie auch global betrachtet, eine zentrale Rolle.“

Bisher fielen im Jahr 2021 bis Mitte Oktober 592 mm Niederschlag, dies
ist schon nah am langjährigen Mittelwert von 602 mm. In den vergangenen
beiden Jahren waren es hingegen nicht einmal 500 mm Niederschlag. In
einer der trockensten Regionen Deutschlands sorgen solche Ausschläge
nach unten für einen Rückgang beim Grundwasser. Die Wurzeln zahlreicher
Großbäume greifen dann ins Leere. Im Jahr 2020 waren alleine im Ringpark
109 Bäume betroffen. Manche Arten sind besonders bedroht: Berg-Ahorn,
Spitz-Ahorn, Rot-Buche, Esche, Kiefer, Fichte, Lärche überleben
inzwischen nur dann, wenn sie an einem sehr geeigneten Standort stehen.
Hier setzt das Gartenamt an und hat entsprechende Kartierungen für Wald
und Flur verfeinert. Welche Böden nehmen Niederschläge gut auf? Wo läuft
das kostbare Nass einfach nur ab? Wo sind demnach gute Baumstandorte und
wo können diese mittelfristig noch durch Veränderungen an der
Versickerungssituation realisiert werden?

Die Erkenntnisse aus diesen Fragen sind modifiziert auch für Stadtbäume
entscheidend. In der Weißenburgstraße haben die neuen Baumstandorte
beispielsweise viel mehr Wurzelraum als früher üblich. Die Baumgruben
sind zudem an die sogenannte Stockholmer Bauweise angelehnt. Sprich:
Starker Niederschlag fließt nicht über betonharten ausgetrockneten Rasen
direkt in den nächsten Kanal, sondern über schräge Flächen Richtung
Baum. Unter einer Wildblumenfläche, die den Stamm umgibt, sind
Drainage-Schichten mit großen Wasserspeicherkapazitäten. 

Neueste Erkenntnisse zu Klimawandel und Baumkrankheiten kann man bei
Neupflanzungen berücksichtigen, beim Bestand gilt aber natürlich
weiterhin „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“. Hier steigt für die
acht Mann starke Baumkolonne des Gartenamts der Pflegeaufwand. Dieser
ließ sich in den letzten Jahren nur durch zusätzliche Fremdvergaben an
Firmen bewältigen. 2021 beliefen sich diese Kosten auf 680.000 € –
Tendenz steigend, insbesondere wenn das städtische Team nicht
vollständig ist. Totholz muss in bisher nicht gekanntem Umfang
entnommen werden, soweit man Stämme nicht im Sinne des Artenschutzes zu
Biotopbäumen umwidmen kann, was beispielsweise im Sieboldswäldchen gut
ins Gesamtkonzept passt. 

Dr. Grob zeigte anhand eines weiß gekalkten Baums im Ringpark, dass bei
der Baumpflege sehr behutsam vorgegangen werden muss. Der Wasserbedarf
ist der eine wichtige Faktor, Sonnenschutz ist für viele Arten aber
genauso überlebenswichtig. Wenn ein Baum jahrzehntelang den Schatten
eines Nachbarn genoss, kann das unverhoffte Sonnenbad nach einer Fällung
zu viel sein. „Eine reflektierende Schutzschicht ist dann so wichtig wie
die Sonnencreme für den Strandurlauber, der keinen Sonnenschirm
dabeihat“, erklärt Dr. Grob anschaulich eine mühevolle
Baumpflegearbeit: „Unser Anliegen ist es, alle Bäume im Ringpark so
lange wie möglich zu halten.“ Hierbei stellen vor allem die alten
Rot-Buchen das Gartenamt vor große Herausforderungen. Bei ungewohnt
starker Sonnenbestrahlung kommt es oftmals zum Aufplatzen der Rinde und
zum Absterben dieser Bäume. Dr. Grob: „Um diesen ‚Domino-Effekt‘ zu
vermeiden, schützen wir die Stämme der betroffenen Alt-Bäume mit einem
weißen Kalkanstrich. Dieser wird aufwändig von einer Hubarbeitsbühne aus
aufgetragen.“