Schweinfurt Als Person, Künstler und Kunstkritiker ist Hans Platschek (1923-2000) schwer einzuordnen: Er malte und schrieb, er wechselte die Stile und die Sujets, er zeichnete politische Karikaturen, arbeitete informell und gegenständlich. Er äußerte sich in unterschiedlichen medialen Formen, vom Aquarell bis zum Gemälde, vom kunstkritischen Essay in Zeitungen und Magazinen zum Rundfunkvortrag, vom Film bis zum gedruckten Buch. Er sprach fließend fünf Sprachen und wechselte die Wohnorte – manchmal gezwungenermaßen – zwischen Berlin, seinem Geburtsort, Montevideo, Frankfurt am Main, München, Rom, London und Hamburg, wo er blieb bei mehrfachen Umzügen innerhalb der Stadt – und wo er durch einen Brandunfall im Jahr 2000 ums Leben kam.
Sein kommunikatives Spektrum reichte von privaten Beziehungen zu Schauspielerinnen und Schriftstellerinnen bis zu künstlerisch kulturellen Freundschaften und Arbeitsverhältnissen. Sein Kontaktnetz war sowohl international als auch lokal - und an seine Lebensstationen gebunden.
Er war ein unnachsichtiger Kritiker des Kunstbetriebs in seinen diversen Verflechtungen und bestimmter Positionen der zeitgenössischen Kunst. Entsprechend kontrovers und widersprüchlich werden Person und Werk Hans Platscheks bis heute rezipiert.
Im Rahmen des Ausstellungsprojekts sind bisher unbeachtete biografische Quellen erschlossen worden, woraus sich ein verändertes Verständnis des gesamten Werks von Hans Platschek ergibt. Dabei konnten von versierten Autoren und Autorinnen (Karl Janke, Julia Weimar, Hans Joachim Petersen, Margrit Brehm, Christine Künzel, Waltraud Brodersen, Claus Mewes, Selima Niggl, Peter Gorsen, Christian Demand) wesentliche Fragestellungen herausgearbeitet werden, die einen neuen Blick auf den Denkraum Platscheks zwischen Malen, Schreiben und Handeln ermöglichen.
Für die Ausstellung konnten viele Schlüsselbilder aus allen Schaffensphasen zusammengetragen werden. Diese bisher selten an einem Ort versammelten Werke kommen aus Museen, aus der Stiftung van de Loo, der Hans Platschek Stiftung in Hamburg sowie aus verstreutem Privatbesitz. Parallel dazu sind Werke von Kolleginnen und Kollegen zu sehen, die mit seinem „Kosmos“ korrespondieren, von Jean Fautrier über Emilio Vedova und Antonio Saura bis zu Renato Guttuso. So stoßen auf ungewöhnliche Weise Kunstwerke aus verschiedenen Zusammenhängen und Zeiten exemplarisch zusammen.
Der Ausstellungstitel „Höllenstürze. Hahnenkämpfe. Nette Abende“ nimmt aussagekräftige Bildtitel des Maler-Autors auf, mit denen er wesentliche Lebensstationen und -erfahrungen markierte.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit der Stiftung van de Loo, der Hans Platschek Stiftung und dem Kunstverein Schweinfurt.
In Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Schweinfurt wird im „Kunstsalong“ der Fokus auf Florian Köhler (1935-2013) gelegt. Hans Platschek kannte den Maler seit seiner Münchner Zeit und würdigte dessen künstlerische Überzeugung in zwei Texten, u.a. unter dem Titel „Farbe, eine Tiefenspannung“.
BIOGRAPHIE
Hans Platschek wird 1923 als Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren und erlebt dort die Machteroberung der Nationalsozialisten. Auf dramatische Weise muss er als Jugendlicher kurz nach den Pogromen im November 1938 mit seinen Eltern und seinem Bruder ins Exil nach Südamerika fliehen. Nach harten Anfangsjahren in Montevideo mit Brotjobs als Wäschebote, Karikaturist und Grafiker für Kleinanzeigen, nach dem Studium der Malerei, ersten Ausstellungen eigener Werke und Publikationen, kehrt Platschek 1953 in die junge Bundesrepublik zurück. Er erfährt von der Ermordung vieler Familienangehöriger und kümmert sich um Rückgabe des zwangsveräußerten Familienbesitzes.
Bekannt geworden ist Hans Platschek mit seinen informellen Werken der 1950er und -60er Jahre sowie durch seine spektakuläre Kritik am Informel und Tachismus. Es gelingt ihm immer wieder, die eigenen Positionen gegen eingefahrene Strukturen in der Kunst und im Kulturbetrieb durchzusetzen. So ist Platschek mit seinen informellen Gemälden 1958 an der Biennale in Venedig und 1959 an der documenta II in Kassel beteiligt und veröffentlicht Standardwerke zur aktuellen Malerei. Ab 1964 ist er mit seiner damaligen Partnerin, der Schriftstellerin Gisela Elsner, in London mitten in der Szene zwischen Pop-Kultur und Studentenrevolte. Danach lebt er in der Verlags- und Medienstadt Hamburg und entlarvt mit satirischem Blick spießbürgerliche Verhaltensweisen. Mit einem erneuten Stil- und Motivwechsel sowie scharfen Analysen antwortet er auf die neokonservativen Tendenzen in Politik und Kultur bis zum Mauerfall 1989. Die letzten zehn Lebensjahre des Maler-Autors gelten Erinnerungen an seine Freundeskreise und Wirkungsorte, die er in Aufsatzsammlungen und Bildern festhält. In letzten Gemälden vor seinem Tod im Jahr 2000 werden souverän informelle Gestik und Gegenständlichkeit miteinander verbunden.
KATALOG
Zur Ausstellung erscheint ein von Claus Mewes und Selima Niggl herausgegebener Katalog mit 280 Seiten und zahlreichen Farbabbildungen bei edition metzel. Erstmals werden hier bislang in der Rezeption Hans Platscheks ausgesparte Themen behandelt wie der Austausch mit seiner Partnerin, der streitbaren Schriftstellerin Gisela Elsner, oder die Bedeutung der Verfolgung durch die Nationalsozialisten für sein Werk.