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Jack Steinberger 1921-2020

Persönlicher Nachruf von Oberbürgermeister Dr. Dirk Vogel anlässlich des Todes des hochgeschätzten Ehrenbürgers von Bad Kissingen

Jack Steinberger ist gestorben. Sein Leben und sein Wirken sind bereits zeitlebens Bestandteil unserer Stadtgeschichte geworden. Das war alles andere als selbstverständlich. Als 13-jähriger musste er mit seinem Bruder aus Bad Kissingen fliehen. Er absolvierte Schule, Studium, Promotion und Professur in Winnetka, Chicago, Berkeley, New York und Genf. Bad Kissingen war nicht nur geografisch weit weg.

 

Oberbürgermeister Georg Straus und der damalige Schulleiter des Gymnasiums Gotthilf Riedel waren es, die Ende der 1980er Jahre durch seine Auszeichnung als Nobelpreisträger für Physik auf ihn aufmerksam wurden. Es folgte die vorsichtige Kontaktaufnahme. Jack Steinberger ist es zu verdanken, dass er, und wie er, auf die Offerte seiner Heimatstadt reagierte: freundlich, zurückhaltend, interessiert – und erstaunt über die popstar-ähnliche Begrüßung durch die neue Generation seines Geburtsortes: „Auch wenn es nicht leicht ist, damit zurechtzukommen, dass ich einst rausgeschmissen wurde und jetzt gefeiert werde.“ Für mich, für uns als Schüler war er lebendige Geschichte auf der einen Seite, und personifizierte Hoffnung, was aus einem in Zukunft werden könnte, auf der anderen Seite.

Die Aufregung wich einem regelmäßigen, intellektuellen und emotionalen Austausch zwischen der Stadt und ihrem berühmten Sohn. Zahlreiche Besuche, alte und neue Freunde und ein Symposium sind die Belege eines positiven, routinierten Miteinanders. Seit 2001 darf das Gymnasium seinen Namen tragen, 2006 durfte die Stadt ihm in Anerkennung seiner herausragenden Leistungen in der Wissenschaft und in Würdigung seiner Verdienste um die Stadt Bad Kissingen die Ehrenbürgerschaft verleihen.

 

Jack Steinberger war nicht nur ein bahnbrechender Physiker, dem mit seinen Mitstreitern der Nachweis von zwei Arten von Neutrinos gelang. Er war ein kritischer Geist, der sich mit der sozialen Wirklichkeit auseinandersetzte. Er warb für die Abrüstung und kritisierte die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Klimawandel. Damit steht er in der Tradition einer verantwortungsvollen Physik. Steinberger war kein Physikprofessor mit dem Fokus auf einer Platzierung in top peer reviewed Journals. Er war ein öffentlicher Intellektueller alter Schule.

 

Nach so einem Leben ist das auch nicht erstaunlich. Wir sind als Stadt froh, dass wir wieder ein Teil davon werden durften. Wir verneigen uns vor einem Ausnahmephysiker, einem Intellektuellen, einem Sohn und Freund der Stadt Bad Kissingen.

Dr. Dirk Vogel

Oberbürgermeister

BU: Jack Steinberger beim Symposium zu seinem 90. Geburtstag in Bad Kissingen. Foto: Edgar Bartl