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Kranzniederlegung am 2. August

Bürgermeister Heilig: „Rassismus ist für Sinti und Roma eine allumfassende Alltagserfahrung“

WÜRZBURG

Die Stadt Würzburg gedachte auch in diesem Jahr der Ermordung der Sinti und Roma in der NS-Zeit. Bürgermeister Martin Heilig und Roberto Paskowski, der stellvertretende bayerische Landesvorsitzende des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, legten am „Internationalen Tag des Gedenkens an den Genozid an den Sinti und Roma“Kränze am Mahnmal am Paradeplatz nieder. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, Weihbischof em. Helmut Bauer, Domkapitular und Dompfarrer Stefan Gessner und Dekan Dr. Wenrich Slenczka nahmen ebenfalls an der Gedenkstunde teil.

Der Antiziganismus hatte sich in Deutschland in einem mehr als 600 Jahre währenden Prozess herausgebildet. Antiziganistische Vorurteile waren in der Bevölkerung weit verbreitet und tief verwurzelt. Die schließlich vom NS-Regime in Gang gesetzte Verfolgung wurde daher von weiten Teilen der Bevölkerung nicht nur gutgeheißen, sondern auch aktiv unterstützt. „Ausgrenzung und Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung fanden auch hier bei uns in Würzburg statt“, erinnerte Bürgermeister Martin Heilig. „Würzburgerinnen und Würzburger waren Opfer, Würzburgerinnen und Würzburger waren aber auch Täter, die weggeschaut oder mitgemacht haben.“ An der hiesigen Uniklinik seien sogar Zwangssterilisationen und -abtreibungen sowie Menschenversuche durchgeführt. 30 namentlich bekannte Würzburger Sinti wurden deportiert, nur von vier ist bekannt, dass sie überlebt haben.

Bürgermeister Martin Heilig bezeichnete „die Ereignisse, an die wir heute erinnern“ als einen „Weckruf an uns.“ Die vom Bundestag eingesetzte Unabhängige Kommission Antiziganismus habe kürzlich einen Bericht vorgelegt, großenteils gestützt auf eigene empirische Erhebungen, „mit vielen unangenehmen Wahrheiten, denen wir uns stellen müssen.“ Der Bericht, so Heilig weiter, mache deutlich: „Antiziganismus ist Gegenwart und Alltag.“ Denn auch heute noch sei Rassismus für Sinti und Roma „eine allumfassende Alltagserfahrung“. Dabei gehe es nicht nur um Ausgrenzung, Beleidigungen und tätliche Angriffe wie den rassistisch motivierten Terroranschlag in Hanau im Februar 2020, wo sich unter den neun Todesopfern drei Sinti und Roma befanden. Hinzu komme ein ungleicher gesellschaftlicher Zugang zu Bildung, Wohnen, Arbeit und gesundheitlicher Versorgung sowie Ungleichbehandlung durch staatliche Institutionen und Justiz.

Der 2. August ist der Jahrestag der Liquidierung des von Nationalsozialisten so genannten Zigeunerlagers Auschwitz-Birkenau durch die SS. Am 2. August 1944 wurden über 4.000 Sinti und Roma in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. Der 2. August wurde zum Symbol für den Porajmos, den Völkermord an den Sinti und Roma, der aus denselben rassistischen Motiven, mit denselben Methoden und ebenso geplant und systematisch durchgeführt wurde wie der Genozid an den Juden. Die Zahl der Toten des Porajmos wird auf 500.000 geschätzt.

 

 

V.li: Bürgermeister Martin Heilig und Roberto Paskowski, der stellvertretende bayerische Landesvorsitzende des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, legen am Mahnmal am Paradeplatz Kränze nieder. Foto: Verband Deutscher Sinti und Roma