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Landsmannschaft der Deutschen aus Russland zum Schicksalstag der Deutschen aus Russland

Zwei Monate nach Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges am 22. Juni 1941 veröffentlichte das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion am 28. August 1941 den Erlass „Über die Übersiedlung der Deutschen, die in den Wolgarayons wohnen“.

 


In diesem Erlass wurden die Deutschen in der Wolgarepublik ohne jeden Grund beschuldigt, Feinde des Sowjetvolkes und der Sowjetmacht, Saboteure und Spione in ihrer Mitte zu verstecken. Diese, so der Erlass, würden auf Befehl aus Deutschland Anschläge vorbereiten.

 

Was dann 1941 geschah, mussten Hunderttausende unserer Landsleute am eigenen Leib verspüren: Deportation, Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen, mörderische Kälte, Hunger und Tod.

 

Keine Rede konnte davon sein, dass von den Maßnahmen des Erlasses nur die Wolgadeutschen betroffen waren, die darin namentlich genannt wurden. Zu leiden hatten vielmehr alle Deutschen in der Sowjetunion, ganz gleich ob sie an der Wolga, am Dnjepr oder am Don, am Schwarzen Meer, auf der Krim oder im Kaukasus, in Wolhynien, in den Städten oder in Streusiedlungen wohnten. Es gab damals Dutzende weiterer Erlasse und Befehle, Verfügungen und Anordnungen, die deren Deportation mit penibler Genauigkeit regelten.

 

Und sie erlitten dieses Schicksal nur aus dem einen und einzigen Grund, weil sie Deutsche waren. Unabhängig davon, wo sie wohnten, ob sie gläubig waren oder nicht, unabhängig davon, ob sie einfache Bauern oder hoch gebildete Wissenschaftler waren, und auch unabhängig davon, was sie von den mehr als fragwürdigen Errungenschaften des Kommunismus hielten. Es wurde nicht gefragt, was einer tatsächlich dachte oder getan hatte, dass er Deutscher war, genügte, um ihn Tod und Verderben auszusetzen.

 

Alljährlich erinnert die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland mit Gedenkveranstaltungen auf Bundes-, Länder-und Ortsebene an den Schicksalstag der Volksgruppe. Aufgrund der Corona-Bestimmungen kann in diesem Jahr die traditionelle zentrale Gedenkveranstaltung im Grenzdurchgangslager Friedland nicht stattfinden.

 

Bei der Gedenkfeier des Jahres 2018 führte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Johann Thießen, zur geschichtlichen und aktuellen Bedeutung der tragischen Ereignisse aus:

 

„Kaum eine deutsche Familie wurde damals von den Maßnahmen der Massenvernichtung in der Sowjetunion Stalins verschont. Viele der heute Lebenden mussten es zwar nicht am eigenen Leib erleben, aber sie kennen das Unmenschliche aus den Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern. Und sie können ihre Tränen nicht zurückhalten, wenn Zeitzeugen darüber berichten.

 

Wir verkennen nicht, dass der von Deutschland verursachte Krieg Auslöser dieser Katastrophe war. Ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland stehen auch wir zur Verantwortung für die dadurch verursachten Kriegsfolgen.

 

Wir betonen aber auch, dass die Russlanddeutschen zu keiner Zeit eine Bedrohung für die Sowjetunion darstellten und ohne jede Schuld zu Opfern wurden.

 

Bereits vor knapp zehn Jahren haben wir einen Appell an den Präsidenten Russlands gerichtet, die Russlanddeutschen so viele Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges auch faktisch zu rehabilitieren, ihre unschuldigen Opfer mit Worten des Bedauerns und des Mitgefühls zu würdigen. Eine Antwort, egal von welcher Regierungsebene, ist bis heute ausgeblieben.

 

Natürlich wurde die Verfolgung der Deutschen unter Stalin nicht von der Russischen Föderation durchgeführt, sondern von der Sowjetunion. Sie kann aber mit einer faktischen Rehabilitation ein für die Zukunft wichtiges Zeichen setzen. Ich denke, dass zur immer wieder beschworenen Brückenfunktion meiner Landsleute zu den Nachfolgestaaten der Sowjetunion auch dieser Schritt gehört.“