Soziale Netzwerke

  

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„Menschen mit Migrationshintergrund steht ein Rechtsanspruch auf Beratung zu“

AWO-Chef Thomas Beyer fordert anlässlich des am 23. September bundesweit stattfindenden Aktionstags der Migrationsberatung diese als staatliche Aufgabe wahrzunehmen

Deutschland ist ein Einwanderungsland, das von der Vielfalt seiner Bevölkerung bereichert wird. Allerdings unterstützt die Politik die Menschen, die von allen fünf Kontinenten der Erde zuziehen, nicht genügend bei Ankommen und Teilhabe durch flächendeckende Beratungsangebote, denn: „Integrationsberatung sollte eine staatliche Aufgabe sein. Stattdessen wird sie als freiwillige, finanziell unzureichend ausgestattete Leistung der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege eingestuft. Diese müssen Eigenmittel in erklecklicher Höhe aufbringen, um das Angebot erst zu ermöglichen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund muss ein Rechtsanspruch auf Beratung zustehen, wie es ihn beispielsweise bei der Erziehungsberatung oder der Schuldnerberatung gibt. Der wird Ihnen und den Trägern aber bislang verweigert. Nicht selten entscheidet so die Beliebigkeit von Förderprogrammen nach Herkunftsländern, Aufenthaltsstatus und Beratungsschlüsseln darüber, ob die Beratungsstellen überhaupt bei ihren Integrationsbemühungen unterstützt werden“, erläutert Thomas Beyer, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Bayern, anlässlich des bundesweit am 23. September stattfindenden Aktionstags der Migrationsberatung.

 

Wie wichtig die bereits von den Fachkräften geleistete Unterstützung für die Ratsuchenden insbesondere, und für die Gesellschaft insgesamt ist, und wie notwendig es wäre, diese als regelhaftes, staatliches Angebot zu unterbreiten, ergibt sich auch aus dem Factsheet, das die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammengestellt hat . Beyer: „Es ist an der Zeit, dass die Migrationsberatung im Vergleich zu anderen Beratungsangeboten nicht länger stiefmütterlich behandelt wird. Dazu gehört auch eine ausreichende Finanzierung für die Aufgabenwahrnehmung durch die freien Träger.“

 

 

 

Die AWO in Bayern zählt ca. 60.000 Mitglieder und beschäftigt über 33.000 haupt­amtliche Mit­arbeiter*innen. Darüber hinaus engagieren sich mehr als 13.500 Menschen ehren­amtlich in verschiedenen sozialen Bereichen. In über 1.900 Einrichtungen und Diensten ist die AWO landesweit gesellschaftlich aktiv und auf allen Gebieten der Sozialen Arbeit, der Erziehung, der Bildung und des Gesundheitswesens tätig.

 

WAS IST DIE MIGRATIONSBERATUNG FÜR ERWACHSENE ZUWANDERER?

Das bundesgeförderte Beratungsangebot „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“ (MBE) ist Bestandteil des Integrationsangebotes des Bundes und bietet seit 2005 anerkannte Anlauf- und Beratungsstellen für Menschen mit Migrationshintergrund in ganz Deutschland. Die Freie Wohlfahrtspflege sowie der Bund der Vertriebenen (BdV) sind Träger der MBE und organisieren die Beratung vor Ort.

 

Die sozialpädagogische Beratung und Begleitung von Menschen mit Einwanderungsgeschichte wird durch Netzwerkarbeit im örtlichen Gemeinwesen ergänzt. Die Beratungsstellen arbeiten nach hohen fachlichen Standards und zur großen Zufriedenheit der Ratsuchenden

1. Das Beratungsprogramm wird aus dem Bundeshaushalt über das Bundesinnenministerium gefördert. Bewilligungsbehörde ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Beratung und Begleitung von Ratsuchenden durch die MBE erfolgt auf Grundlage des Zuwanderungsgesetzes gemäß § 75 Nr. 9 in Verbindung mit § 45 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes und § 9 Abs. 5 Buchst. b des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge.

 

DIE BERATUNGSARBEIT VOR ORT: ZENTRALE DATEN AUF EINEN BLICK

2.  Wie viele Beratungsstellen bestehen bundesweit? Derzeit können Ratsuchende bundesweit 1.493 Beratungseinrichtungen aufsuchen. Neben den 957 Hauptstandorten zählt die MBE 536 „mobile Beratungseinrichtungen“.

 

Wie viele Personen werden durch die MBE beraten?

Im Jahr 2019 wurden in der MBE 316.616 Beratungsfälle gezählt. Zuzüglich der 242.955 mitberatenen Familienangehörigen konnten bundesweit 559.571 Personen erreicht werden. Der Anteil der Neu-Eingewanderten ist gegenüber dem Vorjahr von 48,6% auf 34,3% zurückgegangen. Die Mehrzahl der Ratsuchenden sind mit 55,3 Prozent Männer.

 

Aus welchen Ländern kommen die meisten Ratsuchenden?

62,3 Prozent der Ratsuchenden stammen aus 11 Ländern:

2019

  • Syrien 28,2%
  • Irak 6,6%
  • Afghanistan 5,5%
  • Türkei 4,6%
  • Russische Föderation 4,4%
  • Polen 2,8%
  • Iran 2,4%
  • ehemaliges Jugoslawien 2,3%
  • Kasachstan 2,0%
  • Griechenland 1,9%
  • Ukraine 1,7%

 

Was bewirkt die MBE?

Verminderung des Transferleistungsbezuges

Positiv veränderten sich die Werte bei Leistungsempfängern von ALG II.

 

Der Anteil der Ratsuchenden, die zu Beginn der Beratung Leistungen nach ALG II bezogen hatten, verminderte sich von 61,1% auf 38,9% zum Beratungsende.

 

Deutschsprachförderung

Bei 51,4% aller Ratsuchenden wurde ein Sprachförderbedarf in Deutsch festgestellt. Davon konnte ein Anteil von 33,9% in einen Integrationskurs oder in einen anderen Sprachkurs vermittelt werden.

 

DIE MBE IM ÖRTLICHEN NETZWERK STÄRKEN

Die MBE hat sich bundesweit als anerkannte Akteurin im Integrationsbereich etabliert; das Angebot der Beratungsstellen vor Ort wird rege in Anspruch genommen. In den lokalen Strukturen ist die MBE als Netzwerkakteurin in der Regel sehr geschätzt.

 

Ihre Partner sind vor allem die Jugendmigrationsdienste, die Ausländerbehörden, die Leistungsträger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, die Agenturen für Arbeit, die Integrationskursträger, die Anerkennungsstellen, Migrantenorganisationen, Bildungsträger und Fachberatungsstellen. Darüber hinaus ist die MBE eng mit den Integrationskursträgern vernetzt: Beratende der MBE und Kursleitende arbeiten häufig in lokalen Gremien zusammen. Vielerorts sind Strukturen des regelmäßigen Informationsaustausches etabliert.

 

Es bleibt jedoch unabdingbar, das Angebot der MBE in der dynamischen Unterstützungsund Beratungslandschaft in Deutschland regelmäßig in Erinnerung zu rufen und mit den relevanten örtlichen Entscheidungsträgern und Netzwerkpartnern ins Gespräch zu gehen, um die Netzwerkarbeit an den migrationsspezifischen Lebenslagen der Ratsuchenden auszurichten und sich gemeinsam für deren Interessen des Teilhabens und Teilwerdens einzusetzen.