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OB Schuchardt: „Die Stadtgesellschaft ein Stück weit neu erfinden“

- Würzburg -

Aufgrund der anhaltenden Coronapandemie ist Würzburg auch beim
diesjährigen Neujahrsempfang digitale Wege gegangen. Zum zweiten Mal
fand der Neujahrsempfang rein virtuell als Stream auf TV Mainfranken und
auf der Homepage der Stadt Würzburg www.wuerzburg.destatt.

„Am Ende des zweiten Pandemiejahres liegen bei den meisten von uns die
Nerven blank“, stellte Oberbürgermeister Christian Schuchardt in seiner
Rede fest: Die verbreitete Hoffnung, durch Impfen eine rasche Rückkehr
zur Normalität erreichen zu können, hat sich nicht erfüllt – vor allem,
aber nicht nur, weil sich bis jetzt zu wenige Menschen haben impfen
lassen. „Das Virus droht zum Spaltpilz zu mutieren“, zieht Schuchardt
Resümee, vor allem, weil die Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer
Eindämmung die Menschen sehr unterschiedlich betreffen und ihnen
verschieden große Opfer auferlegen. 

Während Überlastung den im Gesundheitswesen Tätigen wie auch jungen
Eltern und Alleinerziehenden droht, hat es auch Menschen mit geringem
Einkommen besonders hart getroffen. Für die betroffenen gibt es als
Unterstützung eine Reihe städtischer Angebote unter anderem eine
„Task-Force Pandemiefolgen-Prävention“ des Sozialreferates. Große
Opfer haben aber auch in den vergangenen Monaten Handel- und
Gewerbetreibende und selbständige Kulturschaffende erbracht, denen
Einkünfte wegbrachen, während Ausgaben weiterliefen: „Es ist richtig
und wichtig, dass der Staat und auch wir als Kommune sie nach besten
Kräften unterstützen.“

Doch nicht nur die Pandemie selbst wirkt spaltend, sondern auch die
unterschiedliche Einschätzung der Pandemie sowie der zur Eindämmung
ergriffenen Maßnahmen. Jedoch gehöre auch die Kontroverse zur
Richtungsfindung zum Diskurs: „Politische Minderheiten zu
marginalisieren, ist kontraproduktiv. Man muss sie ernst nehmen, ihre
Beweggründe zu verstehen suchen und berechtigte Anliegen aufgreifen. Wer
andere moralisch diskreditiert, beraubt sich der Möglichkeit, sie mit
Argumenten zu überzeugen. Und ein totaler Ausschluss missliebiger
Ansichten ist per se mit einer demokratischen Streitkultur inkompatibel.“


Klar müsse aber auch sein: Wenn Hassbotschaften geäußert werden, wenn
zu Gewalt aufgerufen werde oder sich gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit ausbreite, dann werden Grenzen überschritten, die
nicht übertreten werden dürfen. Zumal den Worten oft Taten und sogar
Attentate folgen. Diese „Diskursverwilderung“ „dürfen wir nicht
achselzuckend hinnehmen“, so Schuchardt. 

Eine zunehmende gesellschaftliche Polarisierung gefährde die Stabilität
und Handlungsfähigkeit der Demokratie. „Den sozialen Zusammenhalt zu
stärken, dafür zu werben und zu arbeiten, ist deshalb für Demokraten
das Gebot der Stunde“, appelliert Schuchardt. Hinzu komme, dass der
grassierende Glaube an absurde Verschwörungstheorien ein Indiz für eine
bedenkliche Entfremdung erheblicher Teile der Bevölkerung von der
institutionalisierten Politik ist. „Daraus folgere ich, dass es gegen
die Ausbreitung von Verschwörungstheorien vor allem ein
verantwortungsbewusstes, überzeugendes und effizientes Handeln der
Politik im Umgang mit den aktuellen Herausforderungen braucht. Es geht
darum, das gesunkene Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.“

Sich gegen Corona impfen zu lassen, sei vernünftig und
verantwortungsbewusst, denn es schütze mit Sicherheit zumindest vor
einem schweren Verlauf und reduziere deutlich das Risiko, andere
anzustecken. „Es ist ein Beitrag zum Wohlergehen der Gemeinschaft“,
betont der Oberbürgermeister. Dass trotzdem viele nicht bereit seien,
sich impfen zu lassen, sei ein alarmierendes Indiz dafür, dass im
Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft einiges aus dem Lot geraten
ist: „Freiheit für alle und grenzenlose Freiheit des Einzelnen schließen
sich aus“, so Schuchardt.

Dazu käme noch, dass Trends wie Individualisierung und Globalisierung
dazu geführt haben, dass die Gesellschaft heute sehr viel bunter und
differenzierter ist als früher. „Ich denke, wir müssen uns von der
Vorstellung einer Gesellschaft verabschieden, in der Homogenität und die
Anpassung an eine bestimmte vorherrschende Lebensweise das Ideal ist“,
so der Oberbürgermeister. Die Konsequenz: „Wir müssen unsere
Stadtgesellschaft ein Stück weit neu erfinden“, sagt Schuchardt. Und
dies kann seiner Meinung nach nur auf Grundlage positiver Werte wie der
Achtung der Menschenwürde und der Verwirklichung der Menschenrechte
sein. „Für mich sind unter anderem die christlichen Werte, die ja auch
von Nichtchristen geteilt werden, die beste Grundlage nicht nur für ein
gelingendes Leben, sondern eben auch für eine Gesellschaft mit
menschlichem Gesicht, die solidarisch zusammensteht“, erklärt
Schuchardt.

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Rede waren die Geschehnisse in der
Stadt Würzburg im vergangenen Jahr. Dazu gehört das laufende
Schulinvestitionsprogramm, in das rund 300 Millionen Euro investiert
werden. Laufende Maßnahmen sind die Erweiterung des Wirsberg-Gymnasiums
und der Mönchbergschule sowie die voranschreitende Digitalisierung der
Schulen. Wichtige Baumaßnahmen sind außerdem das Mainfranken Theater,
das bereits ein neues, einladendes Gesicht hat, sowie die
Siligmüllerbrücke.

Parallel wurde das Klimaschutzkonzept, nach dem die Stadt Würzburg bis
2045 klimaneutral sein wird, überarbeitet. Und mit Hilfe des
Smart-City-Konzeptes sollen die Lebensqualität wie auch die
Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerschaft weiter gesteigert werden.

Gastredner beim digitalen Neujahrsempfang ist mit
BR-Informationsdirektor Thomas Hinrichs in diesem Jahr ein Vertreter der
Medien. Er beschreibt die aktuellen Herausforderungen, die zum Teil
durch Corona noch verstärkt würden, und erklärt, mit welcher Philosophie
sich der Bayerische Rundfunk den Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer
stellt. Hierbei nannte er drei zentrale Punkte. Gerade der Öffentliche
Rundfunk müsse in der Flut von Informationen auf Qualität setzen und
Hilfestellungen bei der Unterscheidung zwischen hart erarbeiteten
Inhalten und geschickt verpackten Fake News leisten: Quellen benennen,
zweite Meinungen einholen, wissenschaftlich einordnen.

Als zweiten wichtigen Auftrag begreift man die Verpflichtung der
jeweiligen Region gegenüber. Die Auswirkungen des Klimawandels müsse man
beispielsweise in Mainfranken an den Wurzeln der Weinstöcke festmachen,
die immer weniger Wasser finden, weil der Main kaum noch künstliche
Bewässerung zulasse. Über 50 Korrespondentinnen und Korrespondenten
an 30 Standorten ermöglichen dieses Eintauchen in die jeweilige
Lebenswelt und eine besondere Identifikation auch bei komplexen und
globalen Fragestellungen.

Drittens begreift sich der BR von jeher als starker Partner der
Kulturinstitutionen. So gibt Hinrichs auch gleich einen Ausblick auf
zwei Highlights in 2022, die man intensiv begleiten möchte: Den
Spatenstich für das Museum für Franken im Frühjahr und den 20.
Geburtstag des Würzburger Kulturspeichers am 22. Februar.