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Offener Brief der Studierenden der Universität Würzburg: Nichtsemester Sommersemester 2020

An den

Bayerischen Staatsminister

Herrn Bernd Sibler, MdL

Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst

80327 München

 

 

Sehr geehrter Herr Staatsminister,

als Vertreter*innen der Studierenden der Universität Würzburg werden wir derzeit vielfach mit den Schicksalen und Sorgen vieler Betroffener der COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen konfrontiert. Deswegen sehen wir es als notwendig an, uns mit diesem Brief an Sie zu wenden. Die studentischen Senatoren, der studentische Konvent und der Sprecherinnen- und Sprecherrat der JMU Würzburg beobachten Ihre Entscheidungen, und die der Bayerischen Universitätenkonferenz, mit äußerst großer Sorge. Die Entscheidung, den Lehrbetrieb im Sommersemester 2020 ohne weiteres stattfinden zu lassen, stieß nicht nur bei uns Studierenden, sondern auch bei vielen Dozierenden auf breites Unverständnis.

 

Die Universitäten in ganz Bayern stehen vor der Herausforderung, in sehr kurzer Zeit den kompletten Lehrbetrieb grundsätzlich zu digitalisieren und während personellen Engpässen komplett neue Lehrformate zu erstellen. Das Ziel einer vollständigen Anpassung aller Veranstaltungen aller Studiengänge in Bayern halten wir für utopisch. Jedoch bedarf das reguläre Stattfinden des Sommersemesters 2020 genau dieser lückenlosen Anpassung.

 

Lehrende und Studierende sind auf die von Ihnen vorgeschlagene Erweiterung der Online-Angebote, die aktuell für ein adäquates Lehrangebot erforderlich ist, weitestgehend nicht vorbereitet. Hierbei spielen nicht nur die stark heterogenen digitalen Fähigkeiten der Lehrenden und Studierenden eine Rolle, sondern auch technische Aspekte. Neben der Tatsache, dass durch die Schließung sämtlicher universitärer Einrichtungen für Studierende ein Zugang zu den technischen Geräten und einer funktionierenden Internetverbindung nicht zwingend gewährleistet werden kann, äußerten bereits Mitarbeiter aus den technischen Abteilungen Zweifel an der so kurzfristigen und reibungsfreien Umsetzung einer so umfangreichen Digitalisierungsmaßnahme.

 

Selbst wenn uns diese Digitalisierungsmaßnahme gelingen würde, bliebe dennoch die Frage offen, wie mit Lehr- bzw. Prüfungsveranstaltungen umzugehen wäre, die die Präsenz der Lehrenden und Studierenden verlangen. Aufgrund der Eindämmungsstrategie des Freistaates Bayern, die vorrangig unserer Gesundheit dient, ist damit zu rechnen, dass Lehrveranstaltungen mit mehreren Personen nicht stattfinden können. Aus der Sicht vieler Dozierenden und Studierenden scheint selbst mit großer Kreativität und viel Pragmatismus eine Bewältigung dieses Problems unter den aktuellen Rahmenbedingungen unmöglich.

 

Leider vermissen wir in Ihrer Entscheidung die Einbeziehung der sozialen Lage vieler Studierenden, die durch in der Schwebe stehende Umzüge und Verluste von Nebenerwerbstätigkeiten vor neuen Herausforderungen stehen. Studierende die von der Pandemie gesundheitlich, familiär oder auch finanziell betroffen sind, können nicht die ausreichende Zeit ihrem Studium widmen. Ganz besonders sind hierbei Studierende mit Kindern betroffen, die durch die Schließung zahlreicher KiTas und Schulen verstärkt mit der häuslichen Kinderbetreuung beschäftigt sind.

 

Aufgrund der dargelegten Tatsachen können für das Sommersemester 2020 keine fairen Studienbedingungen für alle Studierenden garantiert werden. Deshalb bitten wir Sie darum Ihre Entscheidung, das Sommersemester 2020 als reguläres Semester stattfinden zu lassen, zu überdenken. Wir fordern für das Sommersemester 2020 die Einführung eines Nicht-Semesters, für welches wir folgende Maßnahmen vorschlagen:

  • Erhöhung der Regelstudienzeit, der Maximalstudiendauer, sowie sonstige im Studium bestehenden Fristen aller Studiengänge in Bayern um ein Semester.
  • Aufrechterhaltung der Zahlungen während des Sommersemesters 2020 an Studierende, die Leistungen nach dem BAföG empfangen.
  • Bemühungen im Sommersemester 2020 Lehrveranstaltungen in alternativer Form stattfinden und Prüfungsleistungen ablegen zu lassen.
  • Verlängerung jeglicher zeitlich begrenzter Unterstützung von Studierenden, wie z.B. Wohnheimsplätze, um ein Semester.
  • Finanzielle Unterstützung von Studentenwerken zur Bewältigung von finanziellen Engpässen.

 

Durch diese Regelung können wir im Freistaat Bayern sicherstellen, dass einzelne Schicksale berücksichtigt und dennoch bei Möglichkeit weiterhin Lehrveranstaltungen durchgeführt werden können.

 

Sehr geehrter Herr Staatsminister,

die StudierendendesFreistaates Bayern benötigen jetzt eine Zukunftsperspektive. Mit dem Nicht-Semester können wir in Bayern für Studierende eine Regelung schaffen, die es besonders Betroffenen ermöglicht nach Luft zu schnappen und gleichzeitig gewährleistet, dass dennoch Lehrveranstaltungen stattfinden können. Wir fordern, dass in einer Krise, in der Solidarität und Zusammenhalt wichtiger denn je sind, der akademische Nachwuchs nicht vergessen wird.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dustin Kaiser                        Abdu Billican                                     Lucie Knorr

Studentischer Senator     Studentischer Senator                 Vorsitzende des SSR

 

Chris Rettner                     Lea Kugelmann                                  Marianne Böhm

Mitglied des SSR                Mitglied des SSR                                 Mitglied des SSR

 

Stella Gaus Julia               Montero Deistler                                 Michael Kreuzer

Mitglied des SSR              Mitglied des SSR                          Vors.d.Stud. Konvents                                                                                                                                                                                                                                    

 

Foto: by Universität Würzburg