WÜRZBURG - Für die Öffentlichkeit gab es am 10. Dezember einen Paukenschlag: In einer Pressekonferenz hat die Diözesanleitung einen massiven Sparkurs angekündigt.
Zitat Bischof Franz Jung: “Der Haushalt des Bistums befindet sich in einer gefährlichen Schieflage.“
Nach einer Aussage von Sven Kunkel
, Finanzdirektor, betrage der Jahresfehlbetrag des Bistums für das Haushaltsjahr 2019 über 40 Millionen Euro.
Für das Bistum Würzburg wurde u.a. die Abgabe der Trägerschaft für vier ihrer zehn Bildungshäuser angekündigt. Für zwei weitere sei die Abgabe davon abhängig, ob sich Kooperationspartner*innen finden lassen. Von harten Einschnitten sind damit ca. 100 Beschäftigte betroffen, überwiegend Frauen. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht ausgeschlossen. Intern für die Beschäftigten gibt es diese Diskussion bereits seit 17 Jahren.
Aus Sicht der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) handelt es sich bei kirchlichen Einrichtungen genauso um Betriebe wie in der freien Wirtschaft - mit einem gravierenden Unterschied, bei kirchlichen Einrichtungen gilt das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Deshalb gibt es nur sehr reduzierte Rechtsgrundlagen, die Interessenvertretung (Mitarbeitervertretung = MAV) in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu beteiligen.
Auf der Grundlage des historischen Selbstverwaltungs- und Selbstordnungsrechts der Kirchen (Art. 140 Grundgesetz bzw. Art. 137 Weimarer Reichsverfassung) gibt es im Bischöflichen Ordinariat Würzburg mit der Mitarbeitervertretung zwar eine innerbetriebliche Interessenvertretung. Sie hat aber deutlich weniger Rechte als ein Betriebsrat im weltlichen Bereich. Aus Sicht der Kirche beruht diese Regelung auf dem Selbstverständnis der „Dienstgemeinschaft“. Im „weltlichen“ Leben reden wir dagegen von einem Unternehmen, mit Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen, es gibt Tarifverträge und es gelten die Bestimmungen und somit der Schutz des Betriebsverfassungsgesetzes.
Die Zugehörigkeit zur Dienstgemeinschaft verpflichtet jede(n) kirchliche(n) Mitarbeiter(in) zum Auftrag und zum Wirken im Sinne des Evangeliums sowie Dienstgeber und Dienstnehmer(innen) zu vertrauensvoller Zusammenarbeit. (siehe Homepage der Caritas, www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2010/artikel/dienstgemeinschaft-als-strukturprinzip ) Und weiter steht auf der Homepage der Caritas: Es wird deutlich, dass dieses Grundverständnis der Dienstgemeinschaft den Dienstgeber herausfordert und die Dienstnehmer(innen) schützen will.
Auf die Expertise der Beschäftigten in wirtschaftlichen Angelegenheiten wird im Sonderarbeitsrecht der Kirchen verzichtet.
Sabine Schiedermair, Mitglied im ver.di-Bezirksfrauenrat, von 2011-2012 Bundesvorsitzende der KAB Deutschland e.V. und jetzt Beschäftigte beim bischöflichen Ordinariat:“Ich wünsche mir auch für die nicht aus öffentlicher Hand refinanzierten kirchlichen Einrichtungen mehr innerbetriebliches Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten, am besten als echte Betriebsverfassung nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Gut wäre eine weitgehende Unternehmensmitbestimmung. Kirche muss sich selbst messen lassen an ihrer Forderung nach Gerechtigkeit. Sie fällt nicht vom Himmel. Gerechtigkeit lebt von respektvollem Zusammenwirken aller und fairen rechtlichen Grundlagen. Wir brauchen in der Kirche mehr Rechte für uns Beschäftigte.“
Dazu zitiert Stefan Kimmel, ver.di Gewerkschaftssekretär im FB3 Bezirk Würzburg-Aschaffenburg, aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung, Betriebsrat zahlt sich aus: „Betriebsräte nützen vielfach nicht nur den Beschäftigten, sondern auch der Wirtschaftlichkeit von Unternehmen. Das zeigt ein Gutachten zum aktuellen Stand der Mitbestimmungsforschung“.
ver.di Würzburg erwartet von der Diözesanleitung im Sinne ihrer eigenen Definition des Begriffes Dienstgemeinschaft, dass die Beschäftigten (Dienstnehmer/innen) von ihrem „Dienstgeber“ geschützt werden.
Das bedeutet vor allem:
- Erhalt der betroffenen Arbeitsplätze soweit wirtschaftlich vertretbar
- Wenn am Ende Personalabbau erforderlich ist, dann muss er sozialverträglich erfolgen
- Notwendige Einsparungen darf es nicht auf Kosten der Beschäftigten in den unteren Gehaltsstufen geben.
Stefan Kimmel: “Gott sei Dank! ver.di-Mitglieder haben Anspruch auf Rechtsberatung und Rechtsvertretung!“