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Theologische Rehabilitierung der Opfer der Hexenprozesse

Mail vom Arbeitskreis Hexenprozesse an das Bischöfliche Ordinariat Würzburg

WÜRZBURG

Sehr geehrter Herr Bischof Dr. Jung!

1. Unser Arbeitskreis Hexenprozesse bittet Sie, an Papst Franziskus das Anliegen zu übermitteln, die Hexenbulle Summis Desiderantes Affectibus von Papst Innozenz VIII. (1484) offiziell aufzuheben, welche die Hexenprozesse legitimierte und die Hexenverfolgung in Europa in Gang setzte.

2. Wir bitten Sie, dass Sie in Ihrer Diözese die Verurteilung der damals als angebliche Hexen hingerichteten Frauen, Männer und Kinder theologisch widerrufen und die Opfer durch Aufklärung, Beschluss und öffentliches Gedenken rehabilitieren.

3. Wir bitten Sie, die Gemeinden Ihres Bistums zu ermutigen, eine Messe zum Gedenken für die unschuldigen Opfer der Hexenprozesse zu halten.

 

Hexenverkündigung der Kirchen begründete die Hexenverfolgungen

Die Hexenverfolgung der Frühen Neuzeit ist ein dunkles Kapitel der Geschichte des christlichen Abendlandes. 60.000 Frauen, Männer und Kinder wurden als "Hexen" angeklagt, gefoltert und verbrannt, davon allein in Deutschland über 25.000. Besondere Schwerpunktgebiete der Hexenprozesse in Deutschland waren katholische Fürstbistümer und Bistümer, wie z. B. Würzburg und Bamberg, Mainz, Trier und Köln. Teilweise fand durch die Zaubereiprozesse eine beträchtliche Bereicherung an dem konfiszierten Vermögen der Hingerichteten zugunsten von Kirchen statt.

 

Wesentlicher Ansatz für die Hexenverfolgung war die Hexenbulle Summis Desiderantes Affectibus (1484). In ihr erklärte Papst Innozenz VIII. Hexerei zu einem schweren Verbrechen und setzte damit die Hexenverfolgungen in Gang. Grundlage der Hexenjustiz wurde die Schrift Hexenhammer (1486) von dem Dominikanermönch Heinrich Kramer, ein Werk zur Legitimation der Hexenverfolgung, das bis ins 17. Jahrhundert hinein in 29 Auflagen erschien. Der Inhalt war extrem frauenfeindlich: "Also schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt, ... was die Grundlage für die Hexerei ist". Fast alle Befürworter der Hexenprozesse beriefen sich auf den Hexenhammer, der die elaborierte Hexenlehre bekannt machte.

 

In Hexenpredigten schürten Theologen die Hexenangst und riefen zu ihrer Verfolgung auf. So ist z.B. besonders Friedrich Förner zu nennen, Generalvikar und Weihbischof in Bamberg mit seinen Predigten Panoplia armaturae dei, adversus omnem superstitionum (1625).

 

Zwar führten nicht kirchliche, sondern weltliche Gerichte die Hexenprozesse durch. Aber dabei ist daran zu erinnern, dass die Fürstbischöfe nicht nur geistliche Führer, sondern gleichzeitig auch Landesherren waren. Aber die Hexenverfolgung wurde theologisch legitimiert und mit Billigung der katholischen und der evangelischen Kirchen durchgeführt. Durch ihre Verkündigung trugen die Kirchen besondere Mitverantwortung für Entstehung und Beförderung der Hexenverfolgung. Sie beriefen sich auf die Bibel 2. Mose 22,17 (18): "Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen!"

 


Nur Einzelne wie der Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld in der Cautio Criminalis (1631) wagten damals zu protestieren.

 

Es gab keine Hexen

Aus heutiger Sicht wurden die angeklagten Frauen, Männer und Kinder im Namen Gottes zu Unrecht beschuldigt, gefoltert und hingerichtet. In Zeiten der modernen Naturwissenschaften ist jedem einsichtig: Es gab und gibt keine "Hexen" im Sinne der Anklage. Menschen wurden durch die Folter zu "Hexen" gemacht. Die Hexenprozessakten bezeugen, dass viele Angeklagte trotz schlimmster Martern an ihrem Glauben an Gott bis zu ihrem letzten Atemzug festhielten.

 

Die Opfer

 

– waren keine Hexen, sondern ihre angeblichen Verbrechen entstammten der Fantasie von Theologen, Juristen und Regenten.

– waren keine Verbündeten des Teufels. Ihre Geständnisse wurden durch Folter erzwungen.

– waren keine Zauberer

– niemand kann das Wetter verzaubern.

– nahmen nicht am Hexensabbat teil

– keiner kann auf einem Besen durch die Luft reiten.

 

Die unschuldig Verurteilten erhalten ihre Ehre und Würde zurück, wenn wir sie rehabilitieren und an ihr Schicksal erinnern. In Deutschland haben viele Städte, wie z.B. der Rat der Stadt Köln am 28. Juni 2012, offiziell eine sozialethische Rehabilitation der als Hexen verurteilten Menschen ausgesprochen. Diese wurde von lebenden Nachfahren der Opfer angestoßen, die bis heute unter dem Unrecht leiden, das ihren unschuldig hingerichteten Vorfahren zugefügt wurde.

 

Städte, die die Opfer der Hexenprozesse rehabilitiert haben: www.anton‐ praetorius.de/downloads/Staedte%20Rehabilitation%20von%20Opfern%20der%20Hexenprozesse%202015%200_.p df

 

Zeichen gegen Gewalt

∙ Im Namen des Evangeliums wurde damals unendliches Leid über Unschuldige und ihre Familien gebracht. Die Botschaft der Misogynie des Hexenhammers mit seiner extremen Frauenfeindlichkeit hat tiefgreifende Folgen für die Stellung der Frauen bis in die Gegenwart hinein.

∙ Viele Angeklagte in den Hexenprozessen waren Fremde und Zugezogene. In der Beschäftigung mit den Hexenprozessen erkennen wir Wurzeln für Fremdenfeindlichkeit und Sündenbocksuche, für Mobbing und alltägliche Gewalt. Opfer von Gewalt sind bis heute vor allem Frauen – weltweit!

 

Deshalb ist ein deutliches Wort der Kirchen nötig: in aller Öffentlichkeit muss von den Opfern alle Schuld genommen und ihre geistliche Verdammung widerrufen werden. Dies ist ein überfälliger Akt im Geist der Versöhnung von Seiten der Kirchen.

 

Die Kirche hat mit solch einer Erklärung die historische Chance, ein symbolisches Zeichen gegen körperliche und geistige Gewalt zu setzen. Die öffentliche Rehabilitierung der durch die Hexenprozesse zu Tode gekommenen Personen stellt eine klare und deutliche Willensbekundung gegen jegliche Missachtung der Menschenwürde und Menschenrechte in unserer Zeit dar.

 

In jüngster Vergangenheit sind mehrere katholische Stellungnahmen zu den Hexenprozessen erfolgt.

 

Mit freundlichen Grüßen

Hartmut Hegeler