München: Die Betroffenen und auch Wir sind Kirche erwarten von den im zweiten Münchner Missbrauchsgutachten genannten Verantwortungsträgern, dass sie sich jetzt zu ihrer rechtlichen wie moralischen Verantwortung bekennen.
Das umfangreiche zweite Münchner Missbrauchsgutachten legt das jahrzehntelang – auch wegen des Priestermangels – praktizierte Muster von Vertuschung offen: Verdrängen, Verklausulieren, Versetzen und mangelnde Kontrolle. Dabei ist davon auszugehen, dass die detailliert beschriebenen Einzelfälle nur die Spitze des Eisbergs sind, denn es fehlt noch eine Dunkelfeldstudie.
Das Gutachten macht die Verwobenheit der verschiedenen Mitwirkenden zum Erhalt eines geschlossenen kirchlichen Machtsystems deutlich: eine höchst schädliche Aufgabenteilung zwischen den (Erz-)Bischöfen, die auch jetzt noch die Verantwortung für Einzelentscheidungen ablehnen, und den Personalverantwortlichen, die meinen, auftragsgemäß und auch mit Rückendeckung Romskirchenrechtlich korrekt gehandelt zu haben. Statt Empathie für die einzelnen Missbrauchsbetroffenen zu zeigen, ging es immer zuerst um den Schutz des klerikalen Systems.
Der Schock, wie sehr Joseph Ratzinger mit seiner Stellungnahme zu diesem Münchner Gutachten, seinen eigenen Ruf als Theologe zerstört hat, sitzt tief. Erschreckend ist, dass auch manch andere der damaligen und heutigen Verantwortlichen wohl bis jetzt nicht begriffen erhaben, wie sehr ihr Handeln, selbst wenn es kirchenrechtlich korrekt gewesen sein sollte, den moralischen Ansprüchen der Kirche damals wie heute widerspricht.
Rücktritte auf den verschiedenen Leitungsebenen mögen nötig sein. Wichtiger aber ist der grundlegende Perspektivenwechsel, für den sich viele Reformkräfte in der Kirche seit Jahrzehnten einsetzen. Wichtiger sind konkrete Zeichen der Umkehr und Erneuerung wie jetzt beim Synodalen Weg, damit die katholische Kirche in Deutschland nicht zu einer bedeutungslosen Sekte ohne Bedeutung in der Gesellschaft schrumpfen will.