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Als der Frauenfußball seine ersten Schritte ging

Ludwig Bauer gilt als "Geburtshelfer" des Frauenfußballs in Gerolzhofen. Zum Einstand gab es ein Pokalturnier. Und das hinterließ bei ihm einen besonderen Eindruck.

GEROLZHOFEN/GERBRUNN - Vor 50 Jahren geriet der deutsche Profifußball böse ins Wanken. Mehr als 60 Spieler, mehrere Trainer, Funktionäre und letztlich zehn der 18 Erstligisten waren im Bundesliga-Skandal '71 verwickelt, als munter Spiele im Abstiegskampf der Saison 1970/71 geschoben wurden. Der Fußball hierzulande verlor seine Unschuld. Zumindest der der Männer. Die Frauen hatten mit all dem nichts zu schaffen. Erst ein Jahr zuvor hob der Deutsche Fußball-Bund – längst überfällig – das Frauenfußballverbot auf. Fortan durften auch endlich die Frauen der "schönsten Nebensache der Welt" frönen.

 

Auch in Unterfranken gründeten sich auf Anhieb die ersten Teams. Ein echtes Highlight in der Region ereignete sich dann an Ostern 1971. Als einer der ersten Mannschaften Unterfrankens nahm die Frauenfußballmannschaft des 1.FC 1917 Gerolzhofen, die im November 1970 ihre eigene Abteilung im Verein gründete, am offiziellen Spielbetrieb teil. Der erste Auftritt der Fußballerinnen wurde dann auch gleich zu einem echten Zuschauermagnet. Am Ostermontag, 12. April 1971, wollten über den Tag verteilt insgesamt 3000 Zuschauer dabei sein beim "ersten Pokalturnier für Damenmannschaften" im Gerolzhöfer Steigerwaldstadion, bei dem neben den Gastgeberinnen noch Teams VFB Humprechtshausen, SpVgg Untersteinbach und SC Schraudenbach antraten.

 

Trainer der Fußballerinnen war damals Ludwig Bauer ( damals auch Schiedsrichterlehrwart der SR-Gruppe Gerolzhofen) erinnert sich noch gut an die Zeit zurück. "Die Spielerinnen waren noch etwas unbeholfen, sie waren Fußball ja noch nicht gewohnt", versucht er mit dem höchsten Respekt für die zumeist sehr jungen Spielerinnen, im Alter von 16 bis 20 Jahren, die Situation damals zu erklären. "Das war für alle damals ja Neuland."

 

Bauer kam als 22-Jähriger zum Trainerjob bei den Frauen "wie die Jungfrau zum Kind", erzählt er. Zuvor trainierte er bereits zwei Jahre lang die zweite Jugendmannschaft des 1.FC 1917 Gerolzhofen. "Es war so etwas wie ein Hype da", erinnert er sich an die Anfänge des Frauenfußballs in der Region. "Aber kein sportlicher Hype, wie wir ihn heute kennen." Der Hype war schlicht der Neugier am "Neuen" geschuldet.

 

Polizei beim Frauentraining

Das führte bereits einige Monate vor dem Osterturnier, im Herbst 1970, zu einer skurrilen Szenerie, als ein Training von Bauers Frauenmannschaft in der Schulturnhalle einen Polizeieinsatz auslöste. Jugendliche Schaulustige kletterten auf dem Dach herum, um das Training zu beobachten. Der Hausmeister der Schule dachte, bei den "Trainings-Kiebitzen" handele es sich um Einbrecher und rief die Polizei zur Hilfe.

 

Gerade die kleineren Vereine gingen damals im Damenfußball voran, betont Bauer. Die größeren zogen erst später nach. Das hieß aber noch längst nicht, dass die Fußballerinnen in ihrem "kleinen" Verein hofiert wurden. Ganz im Gegenteil: Ihre Trikots und Schuhe mussten sich die Spielerinnen des 1.FC 1917 Gerolzhofen selbst kaufen, selbst von den üppigen Zuschauereinnahmen des Osterturniers sah die Abteilung keinen Pfennig. Trainiert werden durfte meist nur montags, direkt einen Tag nach dem Spieltag, da an diesem Tag weder Jugend noch Männer auf den Platz wollten und die Trainingsplätze frei waren.

 

Elfmeterschießen mit "Hindernissen"

An der Begeisterung für den Sport änderten die widrigen Umstände allerdings nichts. "Die Euphorie bei den Frauen war da, sie haben den Fußball zelebriert und waren froh, dass sie endlich auch spielen durften", betont ihr damaliger Trainer. Dabei musste er fußballerisch quasi bei Null anfangen. Übungen zum Ballstoppen, Einwürfe und Kurzpässe dominierten die Trainingseinheiten. "Aber sie waren alle gewillt und machten alles im Training mit, bis es geklappt hat." Auch der Trainer selbst wurde mit der neuen Aufgabe im brandneuen Frauenfußball ins "kalte Wasser" geworfen, weiß er noch gut: "Aber es hat mir richtig Spaß gemacht." Gerolzhofen wurde zur Hochburg der ersten Stunde des Frauenfußballs.

 

Beim Turnier am Ostermontag boten die Fußballerinnen den vielen Zuschauern bei bestem Wetter spannende Spiele. Der Höhepunkt war das Elfmeterschießen zwischen Untersteinbach und Humprechtshausen. Noch so eine Neuerung im Fußball. Erst wenige Monate zuvor übernahm der Deutsche Fußballbund das Elfmeterschießen in sein Regelwerk. Die Zuschauer wussten bei diesem Elfmeterschießen, dem ersten überhaupt im Steigerwaldstadion, nicht, wie sie sich richtig verhalten sollten. Ludwig Bauer, der das Spiel als Schiedsrichter leitete, musste die Zuschauer erst einmal aus dem Sechzehnmeterraum drängen. Das Bild mit den Zuschauermassen auf dem Spielfeld direkt ringsum der Strafraumgrenze hat er noch bis heute vor Augen, verrät er. So ganz regelkonform wurde es nicht gelöst, hadert er als Vollblut-Schiedsrichter und Lehrwart immer noch mit der Elfer-Premiere vor fünfzig Jahren, während Helmut Brand, als 2. Schiedsrichter des Turnieres die Zuschauer bändigte, während Ludwig Bauer das Elfmeterschießen durchführte.

 

Nach zwei Jahren als Trainer der FC-Frauen war dann für Ludwig Bauer Schluss, er zog der Liebe wegen nach Gerbrunn, blieb aber noch bis 2007 als Gruppenlehrwart der Schiedsrichtergruppe Gerolzhofen erhalten.

BU: SR Ludwig Bauer beim Pokalturnier am 12.04.1971 Foto Privatarchiv Ludwig Bauer